Die jungen Männer stehen einzeln auf, wenn sie sich einem Besucher namentlich vorstellen. Aus ihren Heimatländern sind die acht Schüler einen klar strukturierten Unterricht mit strenger Disziplin gewöhnt. Älteren Besuchern im Schulgebäude treten sie respektvoll entgegen. Noch sind es erst 8 Schüler. Bis Ende Oktober werden es voraussichtlich 16 sein.
Alle werden in der neuen Schulklasse „VABO“ unterrichtet. Die Landeserstaufnahmestelle Karlsruhe war für die meisten die erste Station in Deutschland. Von dort aus werden die Flüchtlinge an die Landkreise verteilt. Im Rems-Murr-Kreis angekommen suchte das Kreisjugendamt einen Wohnplatz für die jungen Männer. Seitdem leben die meisten der jungen Flüchtlinge in einem Haus der Paulinenpflege im Winnender Ortsteil Schelmenholz.
„Ziel dieses Schuljahres ist es, dass die Jugendlichen Deutsch lernen und sich hier zurecht finden. Dies kann dann gelingen, wenn sie hier eine äußere und innere Sicherheit finden“, erklärt Christiane Sättler-Adel. Die bisherige stellvertretende Schulleiterin der Schule beim Jakobsweg ist nun für diesen neuen Bildungsgang in der Paulinenpflege Winnenden verantwortlich.
Zusätzlich zum Theorieunterricht arbeiten die Jugendlichen ab November auch stundenweise in den Werkstätten des Berufsbildungswerkes, um sie auf eine Berufsausbildung oder auf den Besuch einer Berufsfachschule vorzubereiten. Unterstützt im Unterricht wird Christiane Sättler-Adel unter anderem von Komi Eklou. Der dreißigjährige Englisch- und Französischlehrer aus dem afrikanischen Staat Togo ist ebenfalls Flüchtling und ist in der Paulinenpflege als „Bundesfreiwilligendienstler“ angestellt.
In Togo hatte sich Komi Eklou gemeinsam mit anderen für freie Wahlen eingesetzt. Als er erfuhr, dass seine Mitstreiter verhaftet wurden erkannte er, dass auch er selbst in großer Gefahr ist. Zumal die togolesische Polizei keineswegs mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen Regimekritiker vorgeht. Laut Amnesty international werde in Togo regelmäßig gefoltert. Komi Eklou ging deshalb nicht zurück nach Hause. Während er noch in seinem Versteck bei einem Freund war erfuhr er, dass sein Haus in Flammen aufgegangen sei. Angezündet von der Polizei.
Togo ist einer der afrikanischen Staaten, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Seit Jahrzehnten wird das Land an der Westküste Afrikas praktisch von einer Familie beherrscht. Nach dem Tod des Präsidenten im Jahr 2005 wurde dessen Sohn zum Regierungschef gewählt - vor allem aufgrund massiver Unterstützung durch die Armee des Landes.
Menschenrechtsorganisationen gehen bei den Abstimmungen in Togo von massivem Wahlbetrug aus. Nachdem Komi Eklou der Verhaftungswelle gerade noch entgangen war, entschloss er sich zur Flucht ins Nachbarland Benin. Von dort aus kam er mit Hilfe eines Freundes nach Deutschland.
Als Teilnehmer in Volkshochschulkursen hat der Dreißigjährige Deutsch gelernt – und in der Volkshochschule auch schon selbst als Dozent Englisch unterrichtet. Ob Komi Eklou als politisch Verfolgter anerkannt wird, steht noch nicht fest. In der Erstaufnahmestelle in Karlsruhe hätte er „angehört“ werden sollen. Aber der zuständige Mitarbeiter sei krank gewesen. Deshalb fand dieses Gespräch nicht statt. Einen neuen Termin für seine Anhörung gäbe es immer noch nicht. Für die Anerkennung seiner Berufsausbildung aus Togo als Lehrer in Deutschland wurde ein Antrag gestellt. Ein weiteres Stück Heimat hat er in einer christlichen Gemeinde in Stuttgart gefunden.
Bisher gab er schon Nachhilfe für Schüler der Schule beim Jakobsweg. Nun ist er ausschließlich in der neuen Klasse für Flüchtlinge engagiert. „Herr Eklou gewann mit seiner herzlichen und konsequenten Art in der Unterstützung im Unterricht sehr schnell das Vertrauen der jungen Flüchtlinge. Er hat sehr gute pädagogische Fähigkeiten und ein ausgeprägtes Feingefühl für die unterschiedlichen Lernbedürfnisse der Schüler,“ meint Christiane Sättler-Adel.
Auch die "Winnender Zeitung" hat über Komi Eklou berichtet - lesen Sie hier den Bericht von Redakteurin Regina Munder vom 21.10.2015: