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„Wir mussten die Arbeit mit behinderten Menschen erst einmal lernen“

|   PP

Online-Portal, Imagefilm und App: Studenten der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch-Gmünd beeindrucken mit Projektideen für Paulinenpflege.

Langanhaltender Applaus und allgemeines Staunen. Was an diesem Nachmittag vor den Anwesenden im Konferenzraum der Paulinenpflege Winnenden über den Bildschirm flimmert, hätte so wohl kaum einer erwartet. Professionell anmutende Cartoons, weiche Animationen und im Hintergrund angenehm erfrischende Musik. Der neue Imagefilm für die Paulinenpflege wirkt gekonnt, verwendet direkte Sprache und präsentiert sich auf verständliche Art und Weise. Hinter dem Video steht jedoch nicht etwa eine große Marketingagentur, sondern: Eine Gruppe von Studierenden.

Tatsächlich stellt der Imagefilm nur eines von drei Projektergebnissen dar, die aus der Zusammenarbeit zwischen Studenten der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch-Gmünd und der Paulinenpflege Winnenden entstanden sind. Die Projekte betreffen zum einen den Umgang mit Autisten, aber auch die Organisation des Ehrenamts. Zur Präsentation in der Paulinenpflege sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Bereichen des Unternehmens gekommen, auch die beiden Vorstände Andreas Maurer und Carlo Noé zählen zu den Anwesenden.

„Der Umgang mit Emotionen ist für Autisten nicht immer einfach“, erläutert ein Student die Ausgangsproblematik, mit der sich seine Projektgruppe zu Beginn konfrontiert sah. „Deswegen haben wir uns überlegt, wie man die emotionalen Kompetenzen von Autisten stärken und vielleicht sogar den Umgang mit Emotionen trainieren könnte“, erklärt der Student weiter den Ansatz seines Projekts.

In intensivem Austausch mit dem Bildungspark der Paulinenpflege sind die Studenten auf die Idee gekommen, auch technische Hilfsmittel in Betracht zu ziehen und haben schließlich eine App entwickelt.

„Ae mote“, so lautet der Name der Neuentwicklung. Egal ob Freude, Trauer oder Wut - jede Emotion soll von der App zielsicher erkannt und daraufhin dem Autisten als Nutzer der App auf dem Handy angezeigt werden. Hierfür filmt die Handykamera das Gesicht des Gegenübers und gibt neben der identifizierten Emotion, die über einen Algorithmus generiert wird, noch weitere Hintergrund-informationen zur erkannten Emotion an. Damit sollen Autisten trainieren können, Emotionen in Gesprächen zu erkennen.

„Außerdem haben wir noch einen zweiten Modus, den sogenannten Quizmodus entwickelt“, erklären die Studenten. Hier muss der Nutzer die Emotionen seines Gegenübers eigenständig erkennen und im Multiple-Joice-Verfahren die richtige Antwortmöglichkeit auswählen, die dann von der App entweder bestätigt oder korrigiert wird.

Die Studenten hoffen, die App-Entwicklung in Zukunft im Bildungspark der Paulinenpflege ausführlich testen zu können, um weitere Anpassungen und eventuelle Ergänzungen hinzufügen zu können.

„Einfach Wahnsinn“, beschreibt eine weitere Studentin die Erfahrung, dass viele Arbeitsschritte wie der simple Auftrag, einen Text zu markieren, für manche Autisten erst einmal erklärt werden müssen. Die Studentin ist Teil der zweiten Projektgruppe, die sich ebenfalls mit Menschen mit Autismus oder Sinnesbehinderungen beschäftigt hat und während des Projekts immer wieder an Grenzen gestoßen ist.

 „Wir mussten die Arbeit mit behinderten Menschen erst einmal lernen“, erklärt die Studentin. Ziel ihres Projekts war es, Material zur beruflichen Bildung und Qualifizierung zu erstellen, das Menschen mit Autismus oder Sinnesbehinderungen bei der Vorbereitung auf die Tätigkeit im Lagerbetrieb unterstützten kann. Das Ergebnis ist ein detaillierter Ablaufplan, der den Menschen mit Behinderung genaue Arbeitsschritte in der Lagerlogistik des Bildungsparks der Paulinenpflege vorgibt.

„Das ist auch gegen den allgemeinen Trend der Einzelqualifikation“, erklären die Studenten, da der Ablaufplan den Autisten eine ganze Handlungskette von verschiedenen Arbeitsschritten ermögliche, und nicht nur eine einzige, monotone Tätigkeit.

Professioneller Werbefilm, Online-Portal und effektive Marketingaktionen. Das ist die Antwort der dritten und letzten Projektgruppe der Studierenden auf die Frage, wie die Paulinenpflege Ehrenamtliche besser erreichen und das Ehrenamt im Allgemeinen besser organisieren könnte.

 „Wir haben in Gesprächen gemerkt, dass die Paulinenpflege im Moment so ein Art Inseldasein fristet“, schildern die Studenten ihre Ausgangslage. Jeder kenne natürlich die Paulinenpflege, aber wenige wüssten so richtig, was denn eigentlich genau im Bereich Ehrenamt gemacht werde.

Auf dem neuen Online-Portal könnten sich Interessierte deswegen zunächst einmal informieren und bei Bedarf per Mausklick einen Termin mit dem Ehrenamtskoordinator vereinbaren. „Damit nehmen wir die Hemmschwelle, erst einmal anrufen zu müssen“, erklären die Studenten, da Ehrenamtliche meist aus einem Impuls heraus handeln würden, den man im besten Fall nicht ausbremsen sollte. Außerdem könnten bereits aktive Ehrenamtliche im Online-Portal untereinander in Kontakt treten und sich vernetzen.

Auch Ehrenamtskoordinator Sebastian Seibt, selbst Mitarbeiter auf einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderung, ist von dem Konzept begeistert: „Bisher sind alle Wohngruppen noch sehr für sich. Mit dem Portal könnten wir sozusagen eine Brücke zwischen den Wohngruppen schlagen!“

Komplettiert wird die Präsentation der Studenten durch den modernen und professionellen Werbefilm. Problemlos gibt er eine Übersicht zum Unternehmen Paulinenpflege, das mit all seinen Fachbereichen durchaus komplex erscheinen kann. Auch Vorstand Andreas Maurer nickt anerkennend und freut sich über die Ergebnisse: „Vielleicht tut uns ein klarer Blick von außen auch einmal gut. Ich bin von Ihren Ideen total begeistert! Wir werden sehen, wie und wo wir diese einsetzen und weiterentwickeln können.“ So sind weitere Kooperationen und Projekte zwischen der Paulinenpflege und er Hochschule für Gestaltung bereits in Planung.

Nicht nur die Paulinenpflege als diakonische Einrichtung, auch die Studenten selbst sind davon überzeugt, von dem Gemeinschaftsprojekt profitiert zu haben. „Wir konnten unheimlich viel über die Menschen mit Herz in der Paulinenpflege lernen“, bringen die Studenten ihre Erfahrungen der letzten Monate auf den Punkt. Eine klassische Win-Win-Situation.

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