Kaum betritt man in Backnang die Korbmacherei der Paulinenpflege Winnenden fühlt man sich in eine andere Welt versetzt. Die Zeit scheint ein wenig von ihrem Tempo zu verlieren, während man in der erstaunlich ruhigen Werkstatt dem leisen Knacken und Klappern der Weiden lauscht. Die zehn Menschen mit Behinderung lassen sich nicht aus der Ruhe bringen und widmen sich fleißig ihrem Tagwerk. Unterdessen findet im Nebenzimmer die alljährliche Landes-Innungs-Sitzung der Korbflechter aus Baden Württemberg und Rheinland-Pfalz statt.
Der Veranstaltungsort ist dabei kein Zufall. Schließlich wurde die Korbmacherei der Paulinenpflege bereits im Jahre 1906 ins Leben gerufen und blickt inzwischen auf 111 Jahre stolze Korbmachertradition zurück.
Tradition ist definitiv ein bedeutungsvolles Schlagwort in dieser selten gewordenen Zunft. So geht es in der Sitzung neben der Wahl des Paulinenpflege-Mitarbeiters Matthias Bachmann zum stellvertretenden Landesinnungsmeister auch um die Anerkennung des Flechthandwerks als bundesweites UNESCO-Kulturerbe. „Die Herausforderung ist, das Handwerk in die Neuzeit zu übertragen und auch für junge Generationen zu erhalten“, erklärt Rainer Lampertsdörfer, Landesinnungsmeister von Baden-Württemberg. Als Besonderheit dieses Berufes sieht er ganz klar: „die Möglichkeit, dass man mit der Hände Arbeit etwas herstellen kann, ohne großen Maschineneinsatz. Die Vorstellung wird vom Kopf über die Hände direkt auf das Werkstück übertragen“.
Wer nun denkt, dieses ehrwürdige Handwerk sei als UNESCO-Kulturerbe anerkannt worden, weil es sich um einen aussterbenden Beruf handelt, täuscht sich jedoch gewaltig. Der Beruf ist zwar definitiv eine Rarität geworden – so findet sich bundesweit nur noch eine Ausbildungsmöglichkeit in Lichtenfels – doch die „Korb- und Flechtwerkgestalter“ halten ihren Beruf durch immer neue Impulse lebendig. Die Verwendung innovativer Materialien und das Angebot von Flechtkursen für interessierte Laien sorgen dafür, dass das Handwerk up-to-date bleibt. Zusätzlich erschließen sich immer neue Anwendungsbereiche beispielsweise im Garten- und Landschaftsbau, der Innenarchitektur und dem Kunstgewerbe.
Von der Korbmacherei der Paulinenpflege Winnenden zeigte sich der Landesinnungsmeister begeistert: „Es hat wieder tolle Entwicklungen gegeben, seit ich das letzte Mal hier war.“ Dem kann man nur zustimmen, die Räumlichkeiten laden zum Verweilen und Entdecken ein. Die Beschäftigten gehen mit Sorgfalt und Begeisterung ihrer Tätigkeit nach, lassen Körbe in allen denkbaren Größen und Formen entstehen und bespannen Sitz- und Rückenflächen für bequeme Sitzmöbel. Da ist es fast ein Kulturschock, wenn man beim Verlassen der Werkstatt durch die schlagartige Beschleunigung des Straßenverkehrs zurück in den temporeichen Alltag katapultiert wird. Doch ein wenig von der Ruhe kann man vielleicht mitnehmen.