Gottesdienst wird mit den Menschen mit Behinderung jeden Sonntag im Gottesdienstraum der Paulinenpflege mitten in Winnenden gefeiert. Diesen Sonntag ist vieles anders: Statt um 10 Uhr startet der Gottesdienst erst um 15 Uhr, im Vorraum und im Gottesdienstraum sind schon Kaffeetische gedeckt und es grooved an allen Ecken und Enden. Kein Wunder – an diesem Sonntag ist der Gospelchor „joy and light“ aus Fellbach in der Paulinenpflege zu Gast.
„Normalerweise gibt es bei unseren Gottesdiensten wenig Musik, da die meisten unserer Gottesdienstbesucher gehörlos sind. Und viele haben mich gefragt: Wie passt das zusammen - Gehörlose und Musik?“ erzählt Paulinenpflege-Pfarrer Ulrich Bühner am Anfang der Veranstaltung. „Es passt zusammen, weil unsere gehörlosen Bewohner heute auch viel zu sehen und zu spüren bekommen. Außerdem sind heute auch viele hörende Bewohner z.B. aus Backnang und Murrhardt da“.
Bevor der Chor startet, gibt es vorab eine kurze Gottesdienst-Liturgie mit Paulinenpflege-Mitarbeiter Traugott Ziwich. Die gehörlose Mitarbeiterin Sabrina Bellanti übersetzt alles in Gebärdensprache. Schon in diesem Teil geht es lebendig zu. Die Gottesdienst- und Konzertbesucher werden zum Gebärdenchor und die Bewohner zünden für ihre Anliegen Kerzen an.
„Wir freuen uns riesig, dass der Gospelchor da ist. Im Advent haben die Choristen in Fellbach ein Benefizkonzert für uns gemacht. Unser Bewohner Wolfgang Schöne hat beim Konzert die Paulinenpflege so beeindruckend vorgestellt, dass der Chor unbedingt zu uns kommen und uns vor Ort kennenlernen wollte. Darüber freuen wir uns riesig, denn sowas hat die Paulinenpflege noch nicht gesehen“ so gibt Pfarrer Ulrich Bühner die Bühne für den Gospelchor „joy and light“ frei.
Der Funke springt sofort über. Egal, ob bei einem ruhigeren Stück wie „God’s on your side“ oder beim Gospel-Klassiker „Oh happy day“, die Bewohner grooven oder klatschen mit. Manche hält es nicht mehr auf den Stühlen, sie tanzen und wippen im Takt der Musik mit. Es ist kaum mehr zu unterscheiden, wer hier gehörlos, schwerhörig oder normal hörend ist. Die Stimmung des Chors unter der Leitung von Diplom-Jazzsängerin Beatrix Steinhübl steckt alle an.
Ein Gänsehaut-Gefühl gibt es auch bei den Choristen. Sie berichten nach dem Konzert, dass sie von den Bewohnerinnen, Bewohnern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Paulinenpflege so beeindruckt waren, dass sie fast manchmal den Text vergessen haben. Die Chorleiterin sagt zur Motivation des Chores: „Wir wollen mit unserer Musik Menschen begeistern und berühren, Mut machen, Hoffnung schenken und in Bewegung bringen, auf dass es Licht werde in den Herzen aller Anwesenden.“
Genauso wichtig wie das Konzert war auch das gemeinsame Kaffeetrinken nach dem Konzert. Alle Besucher und alle Chormitglieder bleiben da und genießen Kaffee und Kuchen und vor allem die Begegnung. Auch hier ist nichts von Berührungsängsten zu spüren. Obwohl sich viele erst seit diesem Nachmittag kennen, fühlt es sich wie ein Familientreffen an.
Ein Konzertbesucher fasst das treffend zusammen: „Es war ein happy Day für uns. Hoffentlich kommt ihr mit Eurem Chor bald wieder zu uns!“