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Es gibt viel Wissen, an dem Gehörlose nicht teilhaben können

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Informationen und Unterstützung für junge Eltern gibt es viele. Doch was ist, wenn diese nicht bei der Zielgruppe ankommen, weil es eine Kommunikationsbarriere gibt? Für Stefanie Lunczer ist es ihr täglich Brot, hörbehinderten Eltern zu helfen, diese Barriere zu überwinden. Die Rems-Murr-Stiftung hilft ihr dabei.

Die studierte Sozialpädagogin ist Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Menschen mit Hörbehinderung im Rems-Murr-Kreis, deren Träger die Paulinenpflege Winnenden ist. Zu ihr kommen hörbehinderte Eltern mit den unterschiedlichsten Anliegen. Oft geht es um Anträge, die für diesen Personenkreis noch schwerer zu verstehen sind als für Hörende oder auch um ganz lebenspraktische Dinge aus dem Elternalltag.

Doch diese Einzelberatung reicht oft nicht aus: „Immer wieder wurde an mich der Wunsch herangetragen, dass ich die gehörlosen Eltern zum Gruppenangebot AMIKI des Kreisjugendamtes Rems-Murr-Kreis begleite, um für sie die Gespräche mit Hörenden zu übersetzen. Hier können sich die Eltern austauschen und es gibt Tipps und Informationen für den Erziehungsalltag. Leider werden hierfür keine Gebärdensprachdolmetscher bezahlt bzw. es müssen für einen Dolmetschereinsatz seitenlange Sozialhilfe-Anträge ausgefüllt werden“, erläutert Stefanie Lunczer. Dass dies keine Dauerlösung sein konnte, war schnell klar, daher wurde zusammen mit den betroffenen Eltern ein Konzept für ein Elternseminar für Gehörlose entwickelt.

Zur Finanzierung wurde ein Antrag bei der Rems-Murr-Stiftung gestellt. Diese finanziert nun für ein Jahr die Dolmetscher für die monatlichen Seminare. Stefanie Lunczer ist begeistert: „Die Motivation der jungen Eltern ist unglaublich groß. Eine Mutter aus Winnenden hat mit mir die Themen überlegt und auch Referenten vorgeschlagen. So kommt in den nächsten Monaten z.B. eine Kinderärztin, bei der einige der gehörlosen Eltern mit ihren Kindern sind“. Schülerinnen und Schüler des Berufskolleg Gebärdensprache der Paulinenpflege Winnenden übernehmen engagiert die Kinderbetreuung, damit die Eltern sich ganz auf die Inhalte konzentrieren können.

Auch die Referenten sind angetan von der Idee, Informationen auf diese Art und Weise an die gehörlose Frau bzw. den gehörlosen Mann zu bekommen. Stefanie Lunczer sagt dazu: „Viele Referenten kommen unentgeltlich und interessieren sich ganz besonders auch für die Welt der Gehörlosen.“ Und die ist gar nicht so weit von der hörenden Welt weg, wie Referentin Eileen Groß vom Kreisjugendamt Rems-Murr-Kreis feststellen konnte. Sie ist zum Thema „Frühe Hilfen des Kreisjugendamtes“ eingeladen worden: „Ich habe während des Vortrags fast vergessen, dass die Eltern im Seminar gehörlos waren. Durch die Gebärdensprachdolmetscherinnen war fast kein Unterschied zu merken. Es wurden dieselben Fragen gestellt wie bei den Vorträgen bei hörenden Eltern“, sagt Eileen Groß nach der äußerst lebendigen Fragerunde am Ende des Seminars.

Großes Interesse herrschte bei den Fragen, ob es einem Kind schadet, wenn es zu früh in eine Kita kommt, wann eine Herausnahme eines Kindes aus der Familie durch das Jugendamt passiert oder wann es im Rems-Murr-Kreis ein 24-Stunden-Betreuungsangebot für schichtarbeitende Eltern gibt.

In den offenen Diskussionsrunden nach den Vorträgen ist oft der Tenor: Wir Gehörlosen müssen selbst aktiv werden, sonst laufen viele Informationen an uns vorbei. „Uns hörenden Menschen ist es oft nicht bewusst, dass wir uns ständig ganz nebenbei fortbilden, indem wir schon im Alltag etwas übers Hörensagen aufschnappen. Diese Informationen laufen an den hörbehinderten Menschen total vorbei. Genauso ist es dann bei Vorträgen und Informationsveranstaltungen, z.B. von der Volkshochschule. Da wären Gebärdensprachdolmetscher so wichtig. Aber das wird derzeit nicht finanziert. Es gibt so viel Wissen, an dem Gehörlose nicht teilhaben können“ benennt Sozialpädagogin Lunczer die derzeitigen Missstände.

Somit ist das Seminar für gehörlose Eltern de Paulinenpflege Winnenden ein erster wichtiger Schritt, um auch die Notwendigkeit von viel teureren Hilfen wie die Familienhilfe des Jugendamtes schon im Vorfeld abzufangen. Das nächste Seminar ist am Do, 16.04.2015 um 16 Uhr in der Schule beim Jakobsweg der Paulinenpflege Winnenden mit dem Thema „Konflikte zwischen Eltern und Kindern“. Hinterher besteht auch die Möglichkeit des Austauschs bei einer Tasse Kaffee. Alle weiteren Termine finden Sie hier bei uns im Terminkasten auf www.paulinenpflege.de

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