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„Ich ziehe meinen Hut vor dieser ganz besonderen Leistung“

|   Schulen

Gabi Ulshöfer vom Sonderpädagogischen Dienst der Paulinenpflege begleitete die sprachbehinderte Ulrike Ott bei der Ausbildung zur Finanzwirtin.

Kennengelernt hat unsere Kollegin Gabi Ulshöfer die damalige Berufskolleg-Schülerin Ulrike Ott 2016. „Damals war klar, dass Ulrike sprachbehindert ist. Ich habe sie als zurückhaltende junge Frau erlebt. Fast vier Jahre habe ich Ulrike und ihre Mutter als Mitarbeiterin des Sonderpädagogischen Dienstes (Bereich „bibs“) der Paulinenpflege in allen schulischen Belangen beraten und unterstützt“, erzählt die wissenschaftliche Lehrerin.

In dieser Zeit wurde sie von der Paulinenpflege auf „AVWS“ getestet und ein Gutachten erstellt – AVWS steht für eine „Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung“. Über diese Behinderung und ihren Schul- und Ausbildungsweg hat Ulrike Ott nun gemeinsam mit ihrer Mutter Heike Tuchen-Ott ein Buch geschrieben. Und dieser Weg war alles andere als einfach.

Im Geleitwort des Buches schreibt dazu Lehrerin Gabi Ulshöfer: „Inklusion – eigentlich sollte man doch annehmen, dass Kinder und Jugendliche mit einem Handicap in unserer Gesellschaft gut angenommen werden. Dass Informationen, Begleitung und Unterstützung für die betroffenen Familien gewährleistet sind und die jungen Menschen in der Schul- und Ausbildungszeit sowie beim Berufseinstieg das notwendige Verständnis und die entsprechende Rücksichtnahme erfahren. Ist es nicht so? Nein! Die Erfahrungen von Ulrike und ihrer Familie zeigen, dass es kein Automatismus ist, problemlos und schnell an notwendige Informationen und Hilfen zu kommen. Häufig waren viel Energie, unglaubliches Eigenengagement und zum Teil auch Glück erforderlich, um weitere Schritte zu erkämpfen.“

Umso wichtiger war somit der Einsatz von Gabi Ulshöfer, die für den schulischen Bereich zuständig ist und von ihren Kollegen von der Wohnortnahe Rehabilitation der Paulinenpflege, die im Ausbildungsbetrieb unterstützt haben. So hat Gabi Ulshöfer an den Schulen von Ulrike Ott erstmal „Öffentlichkeitsarbeit“ für die Behinderungsform „AVWS“ gemacht: „Ich habe den Lehrerinnen und Lehrer vor Ort erläutert, wie sie Ulrike unterstützten können. Dazu gehörte u.a. der Nachteilsausgleich, den wir dann beantragt haben. Damit konnte zum Beispiel die Prüfungszeit verlängert oder eine Textoptimierung der Prüfungsfragen vorgenommen werden. Auch die englischen Texte durften bei der mündlichen Prüfung mit Zwischenstopp vorgespielt werden.“ Wichtig war zudem auch Verständnis für die Behinderung bei den Mitschülerinnen und –schülern von Ulrike Ott zu wecken. Hier hat Gabi Ulshöfer eine Info-Unterrichtseinheit gestaltet.

Ulrike Ott hat trotz ihres Handicaps die Mittlere Reife, Fachabitur und die Ausbildung zur Finanzwirtin erfolgreich abgeschlossen. Heute arbeitet sie in einem Steuerberaterbüro.

Auch wenn es von Seiten der Paulinenpflege einige Unterstützung in Schule und Ausbildungsbetrieb gab, war das Wichtigste die Energie von Ulrike Ott: „Ich ziehe den Hut vor dieser ganz besonderen Leistung. Ulrike hat nie den Mut aufgegeben – sie war immer motiviert und sehr fleißig. Und sie hat ein sehr engagiertes Elternhaus – das ist natürlich super“. Daher ist es besonders eindrücklich, dass das Buch aus Sicht der Tochter und aus Sicht der Mutter geschrieben wurde. „Es ist bei allen Frustrationen und Schwierigkeiten, die beide beschreiben, ein echtes Mutmach-Buch. Ich kann es nur empfehlen“, sagt Lehrerin Gabi Ulshöfer.

Buchtipp: Heike Tuchen-Ott und Ulrike Ott: „Erwachsenwerden mit Sprachentwicklungsstörung und AVWS. Erfahrungsbericht und Ratgeber.“ Das Buch ist in allen Buchhandlungen und beim Online-Versand erhältlich. 

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