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Immer auf der Suche nach neuen attraktiven und zeitgemäßen Berufsausbildungen

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Seit kurzem gibt es eine E-Commerce-Ausbildung im Autismus-zertifizierten Berufsbildungswerk der Paulinenpflege.

Rund 30 verschiedene Berufsausbildungen in zehn Berufsfeldern werden im Berufsbildungswerk Winnenden für hörbehinderte Jugendliche sowie für Autisten angeboten. Beide Personenkreise haben einige Überschneidungen im Unterstützungsbedarf, daher hat sich das zunächst für Hörbehinderte konzipierte BBW der Paulinenpflege Winnenden vor ca. 15 Jahren auch für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung geöffnet. Inzwischen gehört das Berufsbildungswerk der Paulinenpflege zu den ersten zehn in ganz Deutschland, die ein Autismus-Zertifikat erhalten haben. Damit verpflichtet sich das BBW den „Kriterienkatalog der Berufsbildungswerke für die Ausbildung von jungen Menschen mit Autismus“ zu erfüllen. Dieser wurde durch den Bundesverband Autismus Deutschland und die Bundesarbeitsgemeinschaft BBW erarbeitet.

Bei der Berufswahl haben sich im Lauf der Jahre deutliche Vorlieben bei den Autisten herauskristallisiert: „Wir haben gemerkt, dass gerade nicht-handwerkliche Berufe bei unseren autistischen Jugendlichen beliebt sind. Ein Renner ist z.B. die Ausbildung zum Fachinformatiker. Auch bei unseren Mediengestaltern sind viele Autisten“, erzählt Laura Bürkle vom Fachdienst Autismus der Paulinenpflege, die auch den Zertifizierungsprozess mit begleitet hat. Um die Berufsausbildungs-Auswahl speziell für Autisten weiter zu erhöhen, gibt es seit September letzten Jahres die Ausbildung zum E-Commerce-Kaufmann bzw. zur –Kauffrau. In diesem Bereich werden vor allem Online-Shops aufgebaut und verwaltet.

Ausgebildet werden die neun Azubis von E-Commerce-Managerin Laura Asmus: „Ich habe im Internet erfahren, dass die Paulinenpflege eine Ausbilderin für das neue Berufsfeld sucht, da hab ich mich beworben und seit Juli 2019 die neue Ausbildung vorbereitet. Nach meiner kaufmännischen Ausbildung und einiger Erfahrung im E-Commerce-Bereich war das für mich der ideale Job“. Vorgeschaltet war dem Ausbildungsstart ein Jahr Berufsvorbereitende Maßnahmen, bei denen sich die zukünftigen Azubis ausprobieren konnten. Ausbilderin Laura Asmus war gleich doppelt herausgefordert: Zum einen gibt es das Berufsfeld in Deutschland erst seit 2018, zum anderen musste sie sich auf den Klientenkreis einstellen: „Ich musste mich erst an die Besonderheiten von Autistinnen und Autisten gewöhnen. Es muss alles sehr klar strukturiert sein. Vieles wie z.B. konstruktive Kritik kommt bei Autisten ganz anders an. Bei vielen meiner Azubis herrscht zudem auch eine gewisse Unsicherheit, weil sie z.B. in der Schule aufgrund ihrer Behinderung schlechte Erfahrungen gemacht haben.“

Azubi Felix Wekwerth aus Kusterdingen hat z.B. zunächst ein Gymnasium besucht und dann wegen Überforderung abgebrochen. Der Befreiungsschlag kam für ihn durch den Wechsel an das Berufskolleg Pflege und Gesundheit der Paulinenpflege. Hier hat Felix die Fachhochschulreife erworben. „Das war für mich ein echter Neuanfang“, berichtet der 21-jährige Autist. Eigentlich wollte er dann eine Ausbildung in der freien Wirtschaft machen, doch die Lehrer am Berufskolleg gaben ihm den Tipp für die neue E-Commerce-Ausbildung am benachbarten Berufsbildungswerk.

„Ich habe mich schon immer für Onlineshops interessiert. Besonders für den von Siku. Ich habe schon als Kind Modelle von Autos und Baumaschinen gesammelt. Und da fand ich die E-Commerce-Ausbildung spannend. Zudem habe ich am Berufskolleg Freunde gefunden, mit denen ich durch die Ausbildung am Berufsbildungswerk in Kontakt bleiben kann. Für mich ist das wichtig, da ich hier als Autist gelernt habe, mich auf andere einzulassen und mehr Kontakte zu knüpfen. Das möchte ich während meiner Ausbildung fortführen.“

Und genau das ist für viele Autisten ein großes Problem. So gehören zur Ausbildung nicht nur die E-Commerce-Inhalte, sondern auch eine Autismus-spezifische Unterstützung z.B.  durch das Kennenlernen von Kommunikationsmodellen, mit deren Hilfe eine durch die Behinderung erschwerte Kommunikation verbessert werden kann. Das wird auch ganz praktisch geübt: „Am Anfang war vor allem auch das Teambuilding bei den Azubis untereinander wichtig“, beschreibt Ausbilderin Laura Asmus den Ausbildungsstart.

Grundsätzlich bietet das E-Commerce-Berufsfeld einen großen Vorteil für Autisten: Kontakte finden meistens nicht Face-to-Face statt, sondern über Chat und eMail. Spätere Arbeitgeber können z.B. Online-Shops von Startups, aber auch von großen Discountern oder eines großen Versandriesens sein. Auch Felix Wekwerth hat schon ein Ziel, wenn er die Ausbildung beendet hat. Er würde am liebsten sein Hobby zum Beruf machen: „Ich kann mir gut vorstellen, ein Praktikum im Online-Shop von Siku zu machen und dann später auch dort zu arbeiten.“ Die Grundlagen dafür werden gerade im BBW Winnenden geschaffen.

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Die Fotos wurden vor Inkrafttreten der FFP2-Maskenpflicht aufgenommen.