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70 Jahre und kein bisschen ruhig

|   Wohnen

Der taubblinde Klient Arthur Mai lässt sich in Winnenden von vielen Wegbegleitern feiern.

Der Festsaal im Martin-Gruner-Haus ist am Donnerstagabend fast voll. Am großen Geschenketisch steht der Mann des Abends: Arthur Mai hat anlässlich seines 70. Geburtstages zu einer großen Feier geladen. „Arthur hat das schon seit Monaten geplant. Es sollte auf alle Fälle eine ganz große Geburtstagsfeier werden“, erzählt seine Bezugsbetreuerin Susanna Klink aus dem Taublinden Wohnen der Paulinenpflege Winnenden. Dort wohnt Arthur Mai seit elf Jahren mit sechs Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern.

In die Paulinenpflege ist er 1977 als gehörloser Mann gekommen und hat dort zunächst Schuhmacher gelernt. Ein Jahr zuvor ist er mit seiner Familie als Spätaussiedler aus Russland nach Deutschland eingereist. Insgesamt hatten seine Eltern fünf Kinder, einige davon wie Arthur Mai gehörlos bzw. taubblind. Im Lauf seines Lebens in der Paulinenpflege hat Arthur Mai aufgrund des Usher-Syndroms zusätzlich sein Augenlicht verloren. Auch wenn ihm das immer wieder sehr zu schaffen macht, ist er alles andere als insoliert: „Arthur ist sehr aktiv und steht trotz seiner doppelten Sinnesbehinderung mitten im Leben. Er kommuniziert gerne, egal ob sein Gegenüber Gebärdensprache kann oder nicht. Auch als Rentner ist er alles andere als im Ruhestand“, berichtet Susanna Klink von ihren Erfahrungen.

Der Übergang vom Beschäftigten zum Rentner ist ihm nicht leichtgefallen. Susanna Klink hat diesen Zeitraum im Rahmen einer Projektarbeit begleitet: „Anfangs ist Arthur noch einen halben Tag ehrenamtlich in die Metall-Werkstatt nach Backnang gegangen. Ein Leben ohne Arbeit konnte er sich zunächst überhaupt nicht vorstellen“. Aus dem Ruhestand wurde dann auf Wunsch von Arthur Mai ein Unruhestand: Er hat auch außerhalb der Taubblinden-Wohngruppe viele Termine, u.a. regelmäßiges Schwimmen mit dem Club Paula oder im Taubblinden-Malprojekt mit einer Kunsttherapeutin. Ein weiteres Steckenpferd sind für Arthur Mai Baustellen aller Art. „Das interessiert ihn total. Er ist oft der heimliche Baustellenleiter. Auch sonst ist Arthur bestens informiert. Häufig erzählt er mir von Geschehnissen innerhalb und außerhalb der Paulinenpflege, die ich sonst erst viel später erfahren hätte“, stellt seine Bezugsbetreuerin erstaunt fest. Wichtig ist für Arthur Mai auch seine Freundin, die in der Nachbarwohngruppe wohnt und um die er sich rührend kümmert.

In den letzten Wochen hat sich allerdings alles um seine Geburtstagsfeier gedreht. Organisiert hat die Feier Susanna Klink gemeinsam mit Kollegin Amelie Guisto von der Taubblindenarbeit. Fast 30 Gäste hat er zu seinem runden Geburtstag eingeladen. Fast alle sind gekommen, darunter auch der taubblinde Peter Hepp, der deutschlandweit als Seelsorger und Buchautor bekannt ist. Dieser Wunsch war für das Organisationsteam rund um Susanna Klink Befehl: „Arthur wollte, dass Peter Hepp dabei ist und so haben wir ihn eingeladen. Wir hätten nicht gedacht, dass er kommt, da Herr Hepp vielbeschäftigt ist. Um so größer war die Freude, als er dann tatsächlich in Winnenden angekommen ist“.

Bei der Geburtstagsfeier gab es neben vielen schönen Begegnungen und einem Festessen noch weitere Höhepunkte, u.a. hat der Gebärdenchor der Taubblindenarbeit gleich mehrere Ständchen gegeben. Bei einigen Liedern war Arthur Mai – wie sollte es auch anders sein – mittendrin im Chor dabei. Besonders gerührt war er beim Lied „Vergiss es nie, dass Du lebst war keine eigene Idee“. Und auch so hat er immer wieder eine Träne der Rührung verdrückt. Insgesamt war es also ein ganz besonderer Tag für einen taubblinden Menschen.

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