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Ein Lokführer mit Namen "Lock"

|   BKW

Der gehörlose Manfred Lock ist Herrscher über rund 1.000 Loks und Waggons und der ruhende Pol in der Reha-Werkstatt und in der Außenwohngruppe Backnang.

Wenn man Manfred Locks Zimmer in der Außenwohngruppe für psychisch erkrankte Menschen in Backnang betritt, traut man seinen Augen nicht: Hier stehen zwei Vitrinen-Schränke voller Modelleisenbahn-Loks und -Waggons. Der 61-jährige gehörlose Bewohner sammelt schon seit seiner Kindheit alles, was mit Modelleisenbahnen in Verbindung steht. Seit über 10 Jahren wohnt er in der Paulinenpflege Winnenden und arbeitet in der Reha-Werkstatt Backnang.

Nach Feierabend startet er als erstes seine Lieblingsloks, die auf einer großen Platte durch die liebevoll selbst gestaltete Landschaft fahren. "Das macht Herr Lock erst seit zwei Jahren, vorher hatte er alle Loks nur in seinem Schrank gebunkert. Wir haben dann mit ihm eine Platte gekauft und nach und nach die Schienen verlegt und die Landschaft gestaltet", erzählt Heilerziehungspflegerin Nadine Herrmann. Sie und die anderen Wohngruppen-Mitarbeiter sind inzwischen selbst zu Modelleisenbahn-Experten geworden, denn die Landschaft und die vielen Häuschen, die auch dazu gehören, bauen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf. Manfred Lock fehlen dazu die feinmotorischen Fähigkeiten. "Aber Herr Lock überwacht alles ganz genau. Er studiert die Bauanleitung und gibt die Anweisungen" berichtet Nadine Herrmann. "Gell, Du bist der Bahn-Chef!" gebärdet sie in Richtung Manfred Lock. Mit einem breiten Grinsen bejaht er das.

Das große Bahnprojekt von Manfred Lock begann letztes Weihnachten und ist noch lange nicht beendet. Dieses Weihnachten wird die Platte verlängert und verbreitert, die Zusatzplatte wird von den Schreinern aus dem Berufsbildungswerk Winnenden zugeschnitten. Die "neue Landschaft" ist schon da: In Schachteln lagert halb Bad Tölz in kleinen Einzelteilen. Stolz zeigt Manfred Lock seinen neuesten Errungenschaften. "Die Häuschen im Bayernlook haben wir mit Herrn Lock im Internet ausgesucht. Die Loks und Waggons kauft er selbständig", berichtet Nadine Herrmann. Dazu fährt Manfred Lock einmal pro Woche mit dem Bus zu einem Spezial-Laden in Aspach. Das erklärt auch die große Anzahl der Bahn-Fahrzeuge in seinem Zimmer, meint Nadine Herrmann. "Irgendwann haben wir aufgehört zu zählen, aber es sind sicher knapp 1.000 Loks und Waggons, die sich bei Manfred Lock im Laufe seines Lebens angesammelt haben".

Manfred Lock freut sich über seinen "Reichtum", ist dadurch aber keinesfalls überheblich. In der Wohngruppe und auch in der Werkstatt ist er der ruhenden Pol, der bei allen beliebt ist.

Allerdings hat sich das Leben von Manfred Lock grundlegend geändert, seit die Loks nicht nur im Schrank stehen. Er steht seitdem nämlich bereits um 4.00 Uhr auf, denn um 4.30 Uhr ist "Abfahrt". Der gehörlose Lok-Fan startet dann den Fahrbetrieb seiner Modelleisenbahn, bis er kurz vor 7 Uhr außer Haus in die Reha-Werkstatt zum Arbeiten muss. Auch abends fahren die Züge wieder. Da der Hobby-Lokführer ein geselliger Mensch ist, steht seine Zimmertür meist offen und einige seiner sieben Mitbewohner schauen dann rein und bestaunen seine Leidenschaft für Modelleisenbahnen.

Woher diese Leidenschaft kommt, kann sich Wohngruppen Mitarbeiterin Herrmann ganz einfach erklären: "Der Papa von Manfred Lock war echter Lokführer. Es steckt also in seinen Genen".

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