Das Schild „Sonnenstunden“ am Kreativraum der Reha-Werkstatt im Backnanger Industriegebiet am Erlenwäldchen ist alles andere als ein leeres Versprechen. Beim Eintreten ist sofort etwas von der ganz besonderen warmen Atmosphäre dieses Kunstprojekts zu spüren. An Tischen arbeiten bis zu sieben Menschen mit psychischer Beeinträchtigung hoch motiviert an ihren Kunstwerken. „Hier kann ich mich richtig gut entspannen und finde zu mir. Die Sonnenstunden tun mir richtig gut“, erzählt eine Reha-Werkstatt-Beschäftigte, die in ihrem Arbeitsalltag in der Textilgruppe arbeitet.
Angeleitet wird sie und auch die anderen Beschäftigten, die sich für das Kunstprojekt angemeldet haben, von Kunsttherapeutin Anja Kuzaj. Sie hat ähnliche Beobachtungen gemacht: „Wenn hier jemand zittrig ankommt, wird er oder sie während der Sonnenstunden ruhig und kann konzentriert malen bzw. zeichnen“. Wichtig sind Anja Kuzaj hochwertige Materialen bei diesem Projekt: „Die Farben müssen sich gut anfassen und gute Ergebnisse liefern. Dasselbe gilt für das Papier. Das ist dann auch eine gewisse Wertschätzung gegenüber den Klienten und ihrer Kunst. Das regt die Experimentierfreudigkeit enorm an“.
Ermöglicht wurde das Projekt unter professioneller Anleitung durch einen Spendenaufruf der Paulinenpflege Winnenden. „Wir haben in den letzten Jahren immer wieder die Kreativität unserer Menschen mit psychischer Beeinträchtigung gefördert. Es waren allerdings stets kleine Einzelprojekte, die nicht über längere Zeit stattfinden konnten. Seit Januar 2018 gibt es die Sonnenstunden regelmäßig. Dafür sind wir sehr dankbar“, erzählt Ideengeber und begleitender Gruppenleiter Goran Duic von den kreativen Anfängen.
Dass die Spendengelder genau richtig angelegt sind, zeigen nicht nur die positiven Auswirkungen des Projekts auf die Teilnehmer, sondern auch auf die gesamte Reha-Werkstatt Backnang: „Wir haben einige einst graue Ecken in der Werkstatt mit den Kunstwerken aus dem Projekt verschönert. Erst hatten wir Bedenken, ob das bei allen Beschäftigten gut ankommt, jetzt merken wir, dass das Helle und Bunte sogar für eine bessere Atmosphäre in den Arbeitsgruppen führt“, freut sich Goran Duic. Das größte Kunstwerk befindet sich außerhalb der Werkstatt an einer langen Mauer. M‘hedhbi Khamaies hat diese mit vielen Motiven verschönert: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das kann. Doch im Kunstprojekt bin ich ermutigt worden und jetzt freue ich mich sehr über das Ergebnis“.
Wolfgang Stiefel arbeitet in einer Montagegruppe in der Reha-Werkstatt und hat inzwischen über 200 Aquarelle gemalt. „Das macht mir Spaß. Ich darf für manche Aquarelle dann Rahmen kaufen und sie in der Reha-Werkstatt aufhängen“, freut sich der begeisterte Maler. Insgesamt ist die Sonnenstunden-Gruppe ein bunter Haufen im besten Sinne, der alle zwei Wochen in unterschiedlicher Zusammensetzung zusammenfindet. „Es ist toll, dass sich hier regelmäßig begeisterungsfähige Menschen treffen können, die sich ausprobieren wollen. Es ist schön zu sehen, dass die Gruppe mit ihren verschiedenen Charakteren und Fähigkeiten funktioniert“, sagt auch Kunsttherapeutin Anja Kuzaj. Dieser Zusammenhalt wird gerade durch ein Gemeinschaftsbild, das aus vielen Einzelbildern auf Holzplatten besteht, ganz besonders gefördert.
Damit der Alltag der psychisch beeinträchtigen Beschäftigten weiterhin sonnig bleibt und das Projekt auch 2020 fortgesetzt werden kann, ist geplant, weitere Spenden dafür zu sammeln.