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Unsere Menschen mit Behinderung sind kein zierendes Beiwerk

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Elektro-Ingenieur Gerhard Schmidt ist seit acht Monaten neuer Geschäftsführer der „Backnanger Werkstätten“ der Paulinenpflege.

„Ich habe nach einer neuen, in christlicher Hinsicht sinnvollen Aufgabe gesucht“, sagt Gerhard Schmidt zu den Beweggründen nach 30 Jahren seine berufliche Tätigkeit in der Automobilindustrie aufzugeben und in die Paulinenpflege zu wechseln. Bereut habe er diesen Schritt keine Minute: „Ich gehe hier jeden Abend zufrieden raus. Das liegt an der Zielsetzung der ‚Backnanger Werkstätten‘: Wir arbeiten nicht nur für die Industrie und einen materiellen Gewinn, sondern gleichermaßen mit und für Menschen“, freut sich der 57-jährige Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik.

Dabei war sein Start als Geschäftsführer der Backnanger Werkstätten in Corona-Zeiten schon etwas speziell: „Während meiner Bewerbungsphase waren die Werkstätten im Lockdown. So habe ich damals keine Beschäftigten gesehen. Und auch jetzt läuft ja leider immer noch alles nur mit körperlicher Distanz.“ Trotzdem hat er regelmäßig Kontakt zu seinen Menschen mit Behinderung: „Heute Mittag stand eine Beschäftigte an meinem Bürofenster und hat mir aus ihrem Arbeitsalltag berichtet. Nach der Mittagspause gehe ich auch gerne mal in eine der Hallen rein und schaue, was da gerade passiert. Die Begegnungen mit den Beschäftigten bestärken mich, dass ich am richtigen Ort bin. Sie sind ehrlich, authentisch und halten einem oft auch einen Spiegel vor. So entwickelt man sich auch als Mensch weiter“, berichtet Gerhard Schmidt.

Seine Hauptarbeit findet allerdings am Schreibtisch statt. Auch hier wird es nie langweilig: „Meine Aufgaben sind um einiges vielschichtiger als ich mir das vorgestellt habe. Ich habe in unseren Werkstätten für behinderte Menschen gleich mehrere Kunden mit jeweils verschiedenen Erwartungen. Das ist zum einen die Industrie, von der wir die Aufträge bekommen. Zum anderen sind es die Menschen mit Behinderung und schließlich deren Kostenträger, die die Maßnahmen bezahlen. Hinzu kommt, dass durch das Bundesteilhabegesetz einiges im Umbruch ist.“

Das bedeutet u.a., dass es zukünftig auch private Anbieter von Werkstätten für behinderte Menschen geben kann. Für Schmidt ist es daher wichtig, möglichst breit aufgestellt zu sein, was die Tätigkeitsfelder für seine Beschäftigten betrifft: „Ein bestimmter Personenkreis kann mit den typischen Montage- und Metall-Aufträgen weniger anfangen. Zum Beispiel haben wir psychisch beeinträchtigte Beschäftigte, die nur im Textilbereich arbeiten möchten. Da ist es ruhiger und sie haben ein ganz anderes Medium zum Bearbeiten. Menschen mit einem großen Bewegungsdrang wiederum können sich eine Arbeit in den Werkstatthallen nicht vorstellen und sind in der Landwirtschaft oder in der Gärtnerei auf unserem Paulinenhof bestens aufgehoben. Als große Einrichtung können wir mit dieser Vielfalt punkten.“

Natürlich ist ihm auch der Rechenschieber nicht fremd, denn die Backnanger Werkstätten müssen gerade in diesen Zeiten wirtschaftlich arbeiten. Im Gegensatz zu seiner Tätigkeit in der Automobilindustrie ist aber auch hier ein zweiter Blick wichtig: „Unsere Aufträge sollten im besten Fall so laufen, dass die Wertschöpfung von unseren Menschen mit Behinderung erbracht wird und diese nicht nur als zierendes Beiwerk mitarbeiten.“

Und so ist eines seiner nächsten Ziele, den Paulinenhof bei Winnenden-Hertmannsweiler neu auszurichten und zukunftsfähig zu machen. Insgesamt ist er aber niemand, der jetzt alles anders macht als seine Vorgänger: „Ich bin keiner, der erst alles plattwalzt um es danach komplett neu aufzubauen. Auch vor meiner Zeit wurde hier gute Arbeit geleistet. Mir geht es darum, im Detail zu optimieren und anzupassen“. Da geht es in nächster Zukunft auch um die Immobilien wie beispielsweise die dringend sanierungsbedürftigen Gebäude am Standort der Hauptwerkstatt in der Backnanger Industriestraße.

Auch hier hat Gerhard Schmidt immer das christliche Menschenbild als Basis des Handelns im Blick: „Wichtig ist, dass die Investitionen den Menschen zu Gute kommen. Denn was in Menschen investiert wird, ob nun mittelbar durch Geld oder unmittelbar durch Zuwendung und sinnstiftende Beschäftigung, das bleibt - im Gegensatz zur Investition in rein materielle Güter“.

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