Gerda packt aus
Die ganze Wahrheit - erzählt vom verrücktesten Huhn des Paulinenhofs
Der Osterhase bringt die Eier, aber ich lege sie. Jeden Tag presse ich eines aus meinem Körper heraus. Auch wenn ich den ganzen Tag auf einer eingezäunten Boulebahn auf dem Paulinenhof Auslauf habe, zum Eierlegen setze ich mich ins Legenest: Ordnung muss sein! Durch ein Loch im Nest plumpst das Ei und verschwindet dann auf Nimmerwiedersehen auf einem groben Gitter. Irgendwann wird es abgeholt. Man sagt, es geht ihm dann gut.
Ich heiße übrigens Gerda. Mit 200 Artgenossen tummle ich mich in unserem Stall und auf der Bahn. Manchmal veranstalten wir Wettrennen. Oft singen wir gackernde Hühnerlieder. Man sagt, wir sind glückliche Hennen. Unsere Feder glänzen. Zartrot ist unser kleiner Kamm. Gelb heben sich unsere Krallen vom braunen Boden ab. Kein Vergleich zu dem Völkchen, das ein paar Meter weiter oben auf dem Hof haust. Alles alte Schachteln.
Auch wenn's so scheint: Gleich sind wir Hühner sowieso nicht. Auf dem Paulinenhof herrscht eine Vier-Klassengesellschaft. Wir sind die Arbeiterklasse - vielleicht nicht ganz perfekt, aber leistungsfähig. Die alten Schachteln oben auf dem Hof sind außer Konkurrenz. Dann gibt es die Freigänger, die sich ums Eierlegen drücken und sich über den Engpass zu Ostern keine Gedanken machen müssen. Ein schönes Leben haben sie, so ganz ohne Leistungsdruck und Gitter. Aber - und das sage ich immer wieder - auch Freiheit hat ihre Preis. Der Hund hat eins geholt - das kann uns nicht passieren! Und dann gibt's noch die Lieblinge. Gesehen habe ich die zwar noch nie, doch gehört habe ich allerhand: Ganz abgeschlossen und versteckt leben die kleinen Italiener und Roteländer. Unter einer warmen roten Sonne wird ihnen frischer Klee serviert, während wir hier unten die harten Körner vom dreckigen Boden aufpicken müssen. Denen geht's gut!
Doch was nutzt alle Schönheit und Grazie, wenn's doch eigentlich ums Eierlegen geht. Und darin sind wir Hybriden spitzenklasse! Jeden Tag können wir, wenn's drauf ankommt, eines legen. Und begehrt sind unsere Eier allemal. In diesem Jahr sind wir mit dem Legen gar nicht mehr nachgekommen. Selbst der hühnerzüchtende Zivi Gerhard hat einmal gesagt: "Ein Huhn ist am schönsten, wenn es sein erstes Ei gelegt hat". Bei mir, das muss ich schon sagen, ist das noch gar nicht lange her. Und so, wie die alten Schachteln oben, will ich sowieso nie werden. Das halte ich mir immer vor die Hühneraugen. Auch, um mich vor Gerhards Gemeinheiten zu schützen. Seine Fachkenntnis in Ehren, aber manchmal kann er ganz schön verletzend sein. Hat er doch kürzlich verbreitet: "Hybriden scheißen Eier!" Paaah - das müsste der erst mal jeden Tag so schön hinkriegen!
P.S. Hinter Huhn "Gerda" versteckt sich übrigens Barbara Pienek von der "Winnender Zeitung"