Wenn man die Wohngruppe „Haus 10“ im Jugendhilfeverbund der Paulinenpflege Winnenden betritt, geht es ziemlich bunt zu. Dafür sorgen nicht nur acht Jugendliche im Alter von 11 bis 18 Jahren, sondern auch wunderschöne und ausdrucksstarke Kunstwerke, die die Wände der Innenwohngruppe zieren. Die Künstler wohnen in diesen Räumen – es sind nämlich die Jugendlichen selbst.
Die Idee für die außergewöhnliche Aktion stammt von Sonja Storz, die Anfang des Jahres, ihr Oberstufen-Praktikum zur Ausbildung als Erzieherin in Haus 10 absolviert hat. Schon im November wurde gemeinsam mit Anleiterin Waltraud Kühlmann überlegt, wie die Vorlieben der Jugendlichen, nämlich Sport und Malen, mit Aggressionsbewältigung zusammengebracht werden könnte. Dazu Projektleiterin Sonja Storz: „Wir sind ziemlich schnell auf ein Malprojekt gekommen, bei dem die Jugendlichen die Möglichkeiten haben, ihre Gefühle in Bildern auszudrücken. Wichtig war uns, dass es dabei nicht nur um negative, sondern auch um positive Gefühle geht!“
Als Einstieg konnten die Bewohner von Haus 10 erstmal Gefühle pantomimisch nachspielen oder mit Worten erklären. Als nächster Schritt konnten sämtliche Malwerkzeuge von Pinseln über Schwämme bis hin zu Händen und Füßen ausprobiert werden. Und dann wurde drei Wochen in Kleingruppen gemalt – pro Einheit immer eine Gefühlspaarung mit einem positiven und einem negativen Gefühl, z.B. Angst/Mut oder Trauer/Glück. Besonders beeindruckend war die Arbeit zum Thema „Wut“ – dabei durften die Jugendlichen eine große Leinwand mit Händen und Füßen bearbeiten. Den Abschluss bildete ein Nachmittag zum Thema „Gefühlschaos“. Beim Betrachten der Bilder wird klar, wie ernst die Jugendlichen dieses Projekt genommen haben – es sind in Gemeinschafts- oder Einzelarbeit ungewöhnliche und sehr persönliche Kunstwerke entstanden, die zum Nachdenken einladen.
Eine kleine Vernissage gab es dann vor wenigen Wochen anlässlich des Elterntreffs, bei denen die Angehörigen der Jugendlichen staunten. Aber nicht nur die Maler samt Eltern sind begeistert, auch Sonja Storz ist stolz: „Die Kids haben mit ihren Bildern Spuren hinterlassen. Im ganzen Haus begegnen uns ihre Gefühle und der Umgang damit. Für einige war das sogar eine richtige Biographie-Arbeit“. Die Kinder konnten während des Projekts Gefühle ausdrücken, ohne diese aussprechen zu müssen. Sonja Storz bezeichnet dies als „Therapie ohne therapeutischen Charakter“.
Wichtig war während des Projekts auch die ständige Kommunikation und Reflexion sowie die zeitliche Begrenzung der negativen Gefühle. Aufgefallen ist die außergewöhnliche Motivation der Jugendlichen – zu keiner Zeit gab es Widerstände, im Gegenteil: Als das Projekt zu Ende ging, wollten die meisten gar nicht aufhören. Und eigentlich ist das Projekt noch gar nicht zu Ende, denn die Gefühle in Bilder gepackt begegnen täglich Bewohnern wie Mitarbeitern, genauso wie Besuchern in Haus 10. Die Gefühle der Kids bleiben ein ständiges Thema und das ist gut so!