Schon bei der Anfahrt in Richtung Burg Reichenberg ist klar ersichtlich, dass sich da wieder was tut: Statt beklemmender Dunkelheit am Abend sind auf dem Reichenberg wieder beleuchtete Fenster und die Umrisse „unserer Burg“ erkennbar. Das setzt sich dann beim Betreten des Wohnheims fort: Aus Richtung Esszimmer groovt coole Musik und da steht „DJ Matthias“ mit seinem Equipment und sorgt dafür, dass die anderen neuen Burg-Bewohnerinnen und –Bewohnern beschwingt den Tisch fürs Abendessen decken. „Hallo, wir sind die Neuen von der Burg Reichenberg“ wird man hier als Besucher freundlich begrüßt.
Seit fast einem Monat geht es auf der Burg bei Oppenweiler tatsächlich wieder lebendig zu: In der zweiten Januar-Woche sind nämlich in die alten, aber sehr gemütlichen Gemäuer sechs Azubis des Berufsbildungswerks Winnenden bzw. Schülerinnen und Schüler der Schule beim Jakobsweg eingezogen. „Das Klientel ist hier im Burg-Internat bunt gemischt. Einige der Neuen machen eine Ausbildung, sind in den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen oder besuchen die Berufskollegs der Schule beim Jakobsweg“, erzählt Internats-Bereichsgeschäftsführerin Christine Nagel. Somit sind hier Autisten ebenso wie hör- und sprachbehinderte Jugendliche untergebracht.
Trotzdem sehen die Jugendlichen nicht wie bunt zusammengewürfelt aus. Obwohl sie erst wenige Tage zusammen sind, kommen sie als echte Burg-Gemeinschaft rüber. Burg-Teamleiterin Daniela Baresch bestätigt diesen Eindruck: „Gestern Abend hat ein Klient gesagt, dass wir für ihn hier sowas wie eine große Familie sind. Das hat uns total gefreut.“ Aber auch schon vorher war sie hoch motiviert: „Als ich Ende letzten Jahres die Burg zum ersten Mal gesehen habe, da hab ich gesagt: Cool, riesig, da kann man echt was draus machen!“ Auch ihre Kollegin Monika Gumpp ist von ihrem neuen Job begeistert: „Das hier hat schon was. Das ist eine ganz besondere Atmosphäre. Und die Klienten sind echt klasse!“
Der Burg-Alltag beginnt morgens schon ziemlich früh, nämlich um 6 Uhr. Dann wird über die Signal-App der „Weckruf“ verschickt: „Wenn dann keine Antwort kommt, klopfen wir an die Zimmertür und schauen nach, ob jemand verschlafen hat“, erzählen die zwei Mitarbeiterinnen. Je nach Bedarf wird dann noch auf der Burg gefrühstückt oder erst später im Berufsbildungswerk bzw. in der Schule beim Jakobsweg in Winnenden. Ein Shuttle-Bus bringt die sechs Internats-Bewohnerinnen und –Bewohner dorthin. Nach Feierabend wird dann mit der Bahn zurückgefahren. Auf dem Weg kaufen die Jugendlichen fürs gemeinsame Abendessen ein. „Wir besprechen am Abend vorher, was es zum Essen geben soll und welche Lebensmittel dazu benötigt werden. Derzeit sind alle Klienten in der Gemeinschaftsverpflegung“, erzählt Daniela Baresch.
Natürlich treffen sich die Burg-Internats-Bewohner nicht nur zum Essen: „Wir tanzen z.B. mit DJ Matthias ab, treffen uns zum Filmeschauen oder machen Gesellschaftsspiele. Manche ziehen sich auch in ihr Zimmer zurück oder erkunden die Burg. Wichtig ist allen, dass sie jederzeit Kontakt mit uns Mitarbeiterinnen aufnehmen und über ihren Tag oder ihre Probleme quatschen können“, sagt Monika Gumpp.
Insgesamt hat das Burg-Internat 20 Wohnplätze. Daher gibt es auch immer wieder Expeditionstouren organisiert vom Winnender Freizeithaus: „Da können sich unsere Azubis und Schüler, die in den Internaten in Winnenden wohnen, anschauen, ob diese Wohnform etwas für sie wäre. Demnächst startet hier das Probewohnen eines Bewohners, der sich vorgenommen hat, mit dem Fahrrad von Winnenden zur Burg zu pendeln. Das wird sicherlich spannend“, staunt Geschäftsführerin Christine Nagel.
Ob mit oder ohne Fahrrad – voraussichtlich wird auch dieser Klient schnell von der ganz besonderen Burg-Atmosphäre begeistern lassen. Für die jetzt schon auf der Burg wohnenden Internats-Bewohnerinnen und – Bewohner ist jedenfalls klar: „Wir wollen auf alle Fälle hierbleiben!“