Hatten Sie schon mal mit einem Mörder zu tun?“, fragte eine Schülerin die Gefängnisseelsorgerin Irmgard Mayer. „Ja. Regelmäßig“, lautete die Antwort der Diakonin. Sie war als Referentin in die Berufskollegs der Schule beim Jakobsweg der Paulinenpflege Winnenden eingeladen und berichtete im Religionsunterricht den Schülerinnen und Schülern über ihre Arbeit in der Justizvollzugsanstalt Stammheim. Seit 16 Jahren ist die Diakonin Irmgard Mayer dort im Auftrag der Evangelischen Kirche für die Häftlinge da.
In der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim sind derzeit 720 Häftlinge untergebracht, ausschließlich Männer. Alle männlichen Untersuchungshäftlinge aus Baden-Württemberg kommen nach Stammheim. Das bringt es mit sich, dass in dieser Haftanstalt sowohl notorische Schwarzfahrer als auch Mörder einsitzen. Nach ihrer Verurteilung werden die auf andere Strafanstalten verlegt, erst dann werde je nach Art der Tat „sortiert.“ „Untersuchungshaft ist eine sehr strenge Haft. Besuche müssen genehmigt werden und es ist immer ein Beamter dabei, weil man verhindern will, dass etwas besprochen wird, was den Prozess beeinflussen könnte“, berichtete die Diakonin. Manchmal aber könne sie selbst zu einem Täter-Opfer-Ausgleich beitragen, wenn bei kleineren Delikten wie Handtaschendiebstahl der Täter sich beim Opfer entschuldigt und auch nach einer Wiedergutmachung sucht.
Wenn ein Gefangener mit ihr sprechen wolle, müsse er das beantragen, erklärte die Diakonin. „Es sind aber mehr Menschen als man denkt, die in einer so schwierigen Lebenssituation das Gespräch mit einem Seelsorger suchen.“ Beim Gottesdienst seien etwa 60 Häftlingen dabei, „das sind prozentual gerechnet mehr Gottesdienstbesucher als in einer normalen Kirche.“ Für die muslimischen Gefangenen bietet ein Imam ein Freitagsgebet an.
„Macht das Ihnen keine Angst, mit solchen Menschen zu tun zu haben?“, fragte eine andere Schülerin. „Nein. Es ist tatsächlich so: Wenn man den Häftlingen mit Respekt begegnet, dann begegnen sie mir auch mit Respekt. Es sind nur sehr wenige, die als gewaltbereit bekannt sind. Mit ihnen darf ich nur sprechen, wenn zwei Beamte dabei sind oder nur durch eine Klappe hindurch.“
„Und reden Sie auch mit Vergewaltigern?“, fragte eine weitere Schülerin. „Da haben Sie recht mit Ihren Bedenken“, antwortete die Gefängnisseelsorgerin der Schülerin, „das tue ich nicht, weil ich da nicht mehr trennen könnte, dass ich selbst eine Frau bin. Mit solchen Tätern spricht dann mein Kollege, ein Pfarrer. Grundsätzlich ist es aber so, dass man bei allen Gefangenen den Menschen und nicht nur die Tat sieht.“