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Deaf Studies und Sexualpädagogik - wie passt das zusammen?

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Nora Laidig studiert an der Humboldt-Universität Berlin „Deaf Studies“ und hat jetzt ein Praktikum in unserem Sexualpädagogischen Fachdienst absolviert.

„Ich bin total überwältigt, was ich während meines Praktikums in der Paulinenpflege alles erleben durfte“ sagt Nora Laidig. Sie ist Studentin an der Humboldt-Universität in Berlin und studiert dort „Deaf Studies“. Ihr Interesse für die Gebärdensprache und die Gehörlosenkultur wurde bei einer Begegnung mit gehörlosen Menschen bei einem christlichen Festival schon vor einigen Jahren geweckt: „Daraufhin habe ich überlegt, ob ich Gebärdensprachdolmetschen studiere. Zur weiteren Entscheidungsfindung hat mich die Christliche Gehörlosengemeinde Stuttgart an eine Hausgemeinschaft mit gehörlosen Menschen nach München vermittelt. Da habe ich dann zwei Wochen lang mitgewohnt und mitgelebt.“

Statt für das Dolmetscher-Studium hat Nora Laidig sich dann für „Deaf Studies“ in Berlin entschieden. Hier geht es nicht nur um die Sprache der Gehörlosen, sondern schwerpunktmäßig auch um deren Kultur. Zu diesem Studium gehören zudem zwei Praktika. „Da ich aus dem Remstal stamme, war mir die Paulinenpflege schon bekannt und so habe ich hier angefragt“, erzählt die Studentin. Das erste Praktikum hat sie noch vor der Pandemie in der Beratungsstelle für gehörlose und schwerhörige Menschen in Reutlingen, die auch zur Paulinenpflege gehört, absolviert. „Da laut einer Studie unter anderem sexuelle Gewalt bei gehörlosen Menschen ein großes Thema ist und es dort noch viel Aufklärung bedarf, wollte ich in diesem Bereich auch mehr Einblicke. Daraufhin hat mich Beratungsstellenmitarbeiterin Marion Rüdinger an den Sexualpädagogischen Dienst in Winnenden verwiesen“. Die dort tätigen Sexualpädagoginnen Larissa Morlock und Marion Grimm haben dann trotz Corona ein Praktikum organisieren können: „Ich bin so dankbar, dass das alles geklappt hat. Larissa und Marion haben mir so viel ermöglicht. Sie haben mir nach kurzer Zeit neben vielen Einblicken in ihre Arbeit auch jede Menge Eigenverantwortung übertragen.“

Und so war sie mit Larissa Morlock mehr bei den Schülerinnen und Schülern in den Internaten der Paulinenpflege unterwegs. Marion Grimms Schwerpunkt liegt bei den erwachsenen Menschen mit Behinderung, die in der Paulinenpflege leben und arbeiten. „Ich durfte Corona-konforme Aufklärungsveranstaltungen z.B. im Bildungspark in der Vorbereitung und Durchführung begleiten. Bald durfte ich Veranstaltungen auch mit vorbereiten und sogar einen Beitrag selbst durchführen. Ich war aber genauso an Internats-Aktionen beteiligt. Mein Praktikum war total vielfältig, vielseitig und vielschichtig.“

Dabei war im Vorfeld nicht klar, ob das Praktikum über vier Wochen mit genug interessanten Inhalten gefüllt werden kann. „Neben den Präventions- und Aufklärungsveranstaltungen und Fortbildungen, die ich mit meiner Kollegin plane, kommt bei uns im Sexualpädagogischen Fachdienst auch einiges sehr zeitnah rein. Wir müssen oft sehr flexibel reagieren. Das gilt vor allem auch für Fallgespräche, in denen es z.B. um sexuelle Übergriffe geht“, berichtet Marion Grimm. Aber auch hier konnte Nora Laidig an einigen Gesprächen teilnehmen. „Wir haben die beteiligten Personen natürlich gefragt und alle haben zugestimmt, dass Nora dabei sein darf. Mir hat diese Teilnahme auch gutgetan. So konnte sie mir nach dem Gespräch sofort ein Feedback geben. Und wir konnten das Besprochene gemeinsam reflektieren“.

Profitiert hat vor allem Nora Laidig von diesem Praktikum: „Ich habe zum einen neue Gebärden gelernt, denn ich lerne an der Uni ja den ‚Berliner Dialekt‘. Nun habe ich auch einige süddeutsche Gebärden in meinem Vokabular. Außerdem ist es spannend zu sehen, wie mit gehörlosen Menschen mit geistiger Behinderung kommuniziert wird. Es ist dann immer wieder eine Mischung aus einfachen Sätzen, sehr bildhaften Gebärden sowie einigen Zeigegebärden und manchmal wird neben der Gebärdensprache auch noch das ein oder andere aufgeschrieben. Zudem kenne ich nun einige Methoden, wie ich bei Gesprächen oder Fortbildungen eine passende Atmosphäre mit offenem Umgang schaffen und Themen auch aus der Tabu-Zone rausholen kann.“ Besonders eindrücklich war für sie auch ein Abend mit gehörlosen Klientinnen aus der Außenwohngruppe, in der Marion Grimm als Bezugsbetreuerin arbeitet. „Sie haben sofort Noras Dialekt erkannt – sie meinten: Super gebärdet, aber komisch, Berliner Dialekt.“

Und nach Berlin kehrt sie dann nach den Osterferien mit diesen positiven Eindrücken und neuen Erkenntnisse zurück.

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