Seit 2007 gehört die Burg Reichenberg zur Paulinenpflege. eva-Pressesprecherin Ulrike Herbold berichtet über ein echtes Burg-Urgestein.
Ruth Wick kam nach ihrer Heirat 1947 ins Bruderhaus der Gustav-Werner-Stiftung nach Reutlingen; ihr Mann, Diakon Paul Wick, arbeitete dort als Gärtnermeister. Schon 1955 zogen das Paar und seine inzwischen zwei Kinder nach Gönningen bei Reutlingen, weil ihnen das Leben in der Stadt zu gefährlich geworden war: Eines ihrer Kinder hatte einen Autounfall, ihr zweites war fast unter den Zug gekommen. 1964 wurden sie und ihr Mann Hauseltern auf der Burg Reichenberg der eva. Das dortige Haus hatte noch kurz vor ihrem Kommen als „Heim für gefallene Mädchen“ firmiert, nun hieß es „Heim für behinderte Frauen“.
„Das war eine reiche Zeit auf dem Reichenberg“, hat Ruth Wick einmal erzählt, „reich an Aufgaben und lebenserfüllend“. Ihr Mann und sie hätten sich nicht nur als Eltern für ihre fünf Kinder, sondern auch für die behinderten Frauen gefühlt. In ihrer Zeit als Heimeltern überwachten die beiden auch den Umbau der Burg; damals wurden unter anderem neue Heizungen eingebaut und das Dach ausgebessert. 1978 gingen Ruth Wick und ihr Mann in den tätigen Ruhestand. Sie besuchten und leiteten die „Stunden“ der altpietistischen Gemeinschaft, kümmerten sich um ihren Garten; Ruth Wick trug Gemeindebriefe aus, machte Besuche bei Alten und Kranken. Ab 1996 war Ruth Wick, inzwischen Witwe, einige Jahre Mitglied im Kirchengemeinderat.
Seit Ende 2016 lebt sie in Endingen bei Balingen auf der Bio-Rinderfarm „Brücklehof“ ihrer Tochter und ihres Schwiegersohns, Kornelia und Werner Sauter. Hier beteiligt sie sich an der Hausarbeit, hilft beim Kochen oder knackt Haselnüsse. Sie geht gerne raus, schaut nach den Hunden, liest nach einem Sturm auch mal Äste auf. Abends schaut sie sich Ratesendungen an. Vor Corona-Zeiten ist sie mit ihrer Familie regelmäßig in den Gottesdienst gegangen. In den vergangenen Monaten hatte sie ein Ziel: Sie wollte noch ihren 100. Geburtstag erleben. Zu dem können ihr am 9. März neben ihren fünf Kindern auch ihre neun Enkel und sieben Urenkel gratulieren.
Die Burg Reichenberg in Oppenweiler wurde Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut. Die romantische Anlage ist vollständig erhalten und beherbergt viele bauhistorische Besonderheiten wie eine Kapelle, einen Wehrgang und einen architektonisch herausragenden Bergfried mit Verlies. 1930 wurde die Burg an die eva verpachtet. Damals wurde hier ein Heim für „sittlich gefährdete und gefallene Mädchen“ gegründet. Manche der Frauen hatten eine geistige Behinderung; einige davon haben dort jahrzehntelang eine Heimat gefunden und sind in der Burg alt geworden. Seit 1997 wohnen in der Burg Reichenberg auch Männer. Ab 2007 hat die Paulinenpflege Winnenden hier zunächst Menschen mit Behinderungen und psychischer Erkrankung betreut, inzwischen ist die Burg ein Internat für das Berufsbildungswerk und der Schule beim Jakobsweg Winnenden.