Kurz vor den Sommerferien halten die zehn Absolventen der Wohnschule der Paulinenpflege Winnenden e.V. stolz ihre Urkunde in der Hand. „Ich hab bestanden!“ freut sich die 42-jährige Manuela, die auf dem Paulinenhof wohnt und arbeitet. Für sie und die anderen Teilnehmer des einjährigen Seminars, die alle in den „Wohnangeboten Behindertenhilfe“ leben, war die Wohnschule ein wichtiger Lebensabschnitt, um auszuprobieren und zu lernen, was es bedeutet, völlig selbständig oder mit nur noch wenig Assistenz zu leben. Jetzt darf bei der Urkundenübergabe gefeiert werden!
Es ist bereits der 7. Jahrgang der Wohnschule, der nun erfolgreich abgeschlossen wurde. Tobias Janouschek, Abteilungsleiter in den „Wohnangeboten Behindertenhilfe“ und Leiter der Wohnschule über das Konzept: „Unsere Bewohner sollen durch den Unterricht, der einmal pro Woche nachmittags stattfindet, ein größeres Selbstbewusstsein bekommen und ausprobieren, was es heißt, nicht mehr auf der Wohngruppe, sondern in einer eigenen Wohnung zu leben. Am Ende der Wohnschule können sie dann besser entscheiden, ob sie in der bisherigen Wohngruppe bleiben oder eine selbständigere Wohnform anstreben wollen.“
Bunt und vielfältig wie das richtige Leben sind auch die Themen der Wohnschule. Die Referenten kommen nicht nur aus der Paulinenpflege, sondern auch von außen und es wird auch nach draußen gegangen. Thematische Schwerpunkte der Wohnschule sind „Hauswirtschaft und Kleiderpflege“ ebenso wie „Kommunikation“ sowie die Grundlagen für das „Ambulant betreute Wohnen“ wie „Wohnungssuche, Mietvertrag, persönliches Budget und Hilfeplan“. Bei allen Themen spielt auch die Praxis eine große Rolle. Um auszuprobieren, was denn eine Wohnungseinrichtung kostet, steht z.B. ein Besuch bei IKEA auf dem Programm. Vertreter der Bank erklärten die Abläufe bei der Kontoeröffnung und Kontoführung. Auch die Polizei war bei den Wohnschülern, um die Regeln im Straßenverkehr ganz praktisch zu vermitteln.
Im Lauf der letzten Jahre „Wohnschule“ wurde das Konzept immer wieder überarbeitet. Tobias Janouschek erklärt: „Als wir mit der Wohnschule angefangen haben, stand gerade für unsere gehörlosen Bewohner noch das Fax im Mittelpunkt. Inzwischen geht es immer mehr um die Kommunikation per SMS oder auch im Internet. Dabei stellen wir nicht nur die Möglichkeiten der neuen Technik vor, sondern zeigen auch die Gefahren auf.“ Immer wichtiger wird auch der Umgang mit Partnerschaft und Sexualität bei Menschen mit Behinderungen.
In der Wohnschule der Paulinenpflege wird also schon mal das richtige Leben geprobt. Die Entscheidung, was aus dieser Generalprobe wird, müssen die Bewohnerinnen und Bewohner der Paulinenpflege am Ende der Wohnschule selbst treffen. Schließlich geht es um ihr Leben!