Dass am Sonntagnachmittag in der Paulinenpflege Winnenden zur Kaffeezeit ein ganz besonderer Gottesdienst ansteht, zeigt nicht nur die ungewöhnliche Uhrzeit – normalerweise wird nämlich um 10 Uhr gefeiert. Heute ist noch viel mehr anders: Am Eingang stehen Sektgläser bereit und im Gottesdienstraum sind viele wunderschöne Gemälde aufgehängt. Allesamt sind diese bunten Bilder in der Malgruppe für taubblinde, gehörlose und hörende Menschen entstanden, die sich wöchentlich in der Paulinenpflege unter Anleitung von Kunsttherapeutin Waltraud Kaiser trifft.
Stolz präsentiert werden diese von den Künstlerinnen und Künstlern im Rahmen dieses sogenannten „Ausstellungsgottesdienstes“, der mit dem Mitmachlied „Einfach spitze, dass Du da bist“ eröffnet wird. Die Freude springt sofort auf alle anwesenden Gottesdienstbesucher mit und ohne Behinderung über. Damit auch die hörbehinderten Menschen alles mitbekommen, wird der gesamte Gottesdienst von Gebärdensprachdolmetscherin Annie Haas übersetzt. Nur ganz selten hat die Gebärdensprachdolmetscherin Pause – nämlich wenn der Gebärdenchor seine Lieder „singt“, denn diese werden in Gebärdensprache aufgeführt.
Ebenso eindrücklich und bildhaft ist die Predigt von Diakon Traugott Ziwich – es geht um die Schöpfungsgeschichte. Und diese wird durch die Einlagen von Heilerziehungspfleger David Kiai noch lebendiger: Plötzlich läuft die Sonne durch den Gottesdienstraum oder fliegen Vögel aus Styropor von der Decke. Bei der Erschaffung der Tiere hüpft sogar ein Stofftiger hinter dem Altar vor. Die Gottesdienstbesucher sind begeistert.
Und auch die Überleitung zu den Künstlern und deren Kunstwerken wird beeindruckend gemeistert, denn: Fast genauso kreativ wie Gott in der Schöpfungsgeschichte war, sind auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unserer Malgruppe. Zum krönenden Gottesdienst-Abschluss darf jeder Künstler eine große Künstlernamen-Holztafel an seinen Gemälden anbringen. Sigrid Andrä aus der Taubblindenarbeit der Paulinenpflege dankt der Kunsttherapeutin für ihr Engagement und erklärt, was diese Malgruppe bei den Menschen mit Behinderung bewirkt: Viele sind nach dem Malen am Donnerstag ausgeglichener und ruhiger. Dieser Workshop tut ihnen sichtlich gut.
Nach dem Gottesdienst wird noch kräftig weitergefeiert – mit einem Gläschen Sekt, Kaffee und Gebäck. Die Gottesdienst-Teilnehmer gehen angesteckt vom etwas anderen Gottesdienst und den bunten Bildern mit einem Lächeln nach Hause. Auch ihnen hat dieser Nachmittag sichtlich gutgetan.