„Das wichtigste ist die Vertrauensbasis zwischen mir und den Familienmit gliedern, die ich aufsuche“, erzählt Christiane Fuchs von ihrem Arbeitsalltag. Sie ist bei der Paulinenpflege Winnenden in der Sozialpädagogischen Familienhilfe angestellt. Ihr Einsatzgebiet ist der Rems-Murr-Kreis. Hier begleitet sie fünf Familien. Beauftragt wird sie vom Jugendamt. Dort melden sich in der Regel Kindergarten, Schule,
Nachbarn oder die Familie selbst und bitten um Unterstützung. „Meist fallen die Kinder mit einem besonderem Verhalten auf, sind zurückgezogen oder aggressiv, erreichen nur unzureichende Schulleistungen, besuchen unregelmäßig Schule oder Kindergarten. Kinder zeigen, im Familiensystem stimmt etwas nicht. Sie leiden daran und entwickeln Strategien, um zu überleben. Die Kinder tragen niemals Schuld“, sagt die 60-jährige Sozialpädagogin.
Die Sozialpädagogische Familienhilfe ist niederschwellig und aufsuchend angelegt. Die Fachkraft besucht die Familien: „Dort treffe ich auf Menschen, die schon viel probiert haben. Es gibt hohe Erwartungen an mich. Meine Aufgabe ist es, mit allen Beteiligten gemeinsam Schritt für Schritt Lösungen zu finden. Das gelingt nur mit der Familie. Oft sind Themen schambesetzt. Wir unterliegen der Schweigepflicht. Ganz wichtig ist es nichts zu unternehmen, ohne dies vorher mit der Familie besprochen zu haben.“
Oft geht es darum, mit den Eltern zu schauen, wie sie wieder für ihre Kinder sorgen und ihre elterliche Rolle erfüllen. Da gilt es z.B. eine Tagesstruktur einzuführen, die verlässlich ist. Thematisiert wird, wie gewichtig Eltern als Modell wirken. Christiane Fuchs erklärt das so: „Nur was Kinder sehen und erleben, ahmen sie nach. Das prägt ihre Lebensmuster. Das heißt so viel wie auch der Vater muss morgens aus dem Bett kommen, um seine Kinder rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Nur so bleibt das Kind nicht vor der Playstation sitzen, sondern geht pünktlich zur Schule.“
Ein Einschnitt in ihre Arbeit war für Christiane Fuchs natürlich das Frühjahr 2020: „Die von mir begleiteten Familien sind Krisen gewohnt. Sie stecken viel weg. Probleme haben sich dennoch verschärft. Ist ein Kind rund um die Uhr zu Hause, kostet das mehr. Die Armut hat zugenommen. Und die Voraussetzungen für Homeschooling sind in diesen Familien noch weniger gegeben. Oft fehlen schon mal die notwendigen Geräte wie PC oder Laptop.“ Auch der Arbeitsalltag der Sozialpädagogin hat sich gewandelt: „Im ersten Lockdown gab es eine große Unsicherheit, inwieweit persönliche Begegnungen überhaupt zu verantworten sind. Ich habe mich mit den Familien viel im Freien getroffen. Mein Büro war eine Parkbank und wenn es geregnet hat, haben wir uns z.B. an einer überdachten Bushaltestelle getroffen“, erinnert sich Christiane Fuchs.
Eine große Erleichterung war dann die Bereitstellung eines großen Zimmers im Sozialraumprojekt „Kinderfels“, das ebenfalls von der Paulinenpflege verantwortet wird: „Hier bin ich Gastgeberin und kann die Umstände bestimmen, z.B. Abstand oder geöffnete Fenster.“ Aber auch beim Aufsuchen in den Wohnungen der Familie gibt es pragmatische Lösungen, um Infektionen zu verhindern: „Ich setze mich mit zwei Paar Socken und einer dicken Jacke auch auf die Terrasse oder den Balkon einer Familie.“ Und sie sieht auch positive Aspekte in der Corona-Krise: „Im zweiten Lockdown haben alle Kinder aus meinen Familien eine Kita- oder Schul-Notbetreuung mit festen Gruppen und einer viel geringeren Gruppenstärke. Das tut diesen Kindern gut. Hoffentlich denkt die Politik auch nach der Pandemie daran.“
Auch nach 14 Jahren in der Sozialpädagogischen Familienhilfe der Paulinenpflege ist Christiane Fuchs noch zuversichtlich und begeistert in ihrer Arbeit unterwegs: „Hinter jeder Familie steckt ein Schicksal. Ich finde gerne mit ihnen Lösungsschritte, die sie beflügeln.“