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Bei Silvio steppt nicht nur die Kuh auf dem Paulinenhof

Matthias Knödler | |   Paulinenhof

Silvio Richter ist sinnesbehindert – gehörlos und sehbehindert – und lebt und arbeitet auf dem Paulinenhof.

Wenn man ihm begegnet, stellt man sehr schnell fest, dass er keinesfalls auf dem Abstellgleis steht. Auch Silvio Richter steht mitten im Leben, oft mit Gummistiefeln mitten im Schweinestall des Paulinenhofs. Hier ist er nämlich für die über 50 Ferkel und 10 Muttersauen sowie einen Eber zuständig und mitverantwortlich. Etwa vier Stunden pro Tag ist er mit Füttern, Misten, Einstreuen, Ferkel kontrollieren, etc. beschäftigt.

Seit Herbst 2003 ist der 19jährige Gehörlose auf dem Bauernhof, auf dem insgesamt 21 Menschen mit Behinderungen leben und arbeiten. Hofleiter Dietmar Oppenländer kann sich noch gut an den Vorstellungstermin von Silvio Richter bei ihm erinnern: „Silvio hatte noch ein paar weitere Arbeitsplätze angeschaut – nach Rücksprache mit seinen Eltern hat er sich aber sehr schnell für den Paulinenhof entschieden.“ Diese Entscheidung war wohl goldrichtig, denn Silvio Richter fühlt sich seit dem ersten Tag sehr wohl in seiner neuen Heimat. Zuvor hat er schon am Berufsbildungswerk Leipzig in die Ausbildung zum Gärtner reingeschnuppert, auf dem Paulinenhof gefällt ihm aber die Mischung aus draußen an der frischen Luft und mit Tieren arbeiten.

Über Langeweile kann sich Silvio Richter nicht beklagen – in Gebärdensprache erzählt er von seinen vielfältigen Aufgabengebieten. Neben seinem Einsatz bei den Schweinen, ist er bei der Saatgutbereinigung auf den Feldern mit dabei, er arbeitet gerne in der Werkstatt, in der der Fuhr-park des Hofes gewartet wird und er ist ein Maschinen-Begeisterter. Beim Stichwort „Schlepper-Führerschein“ blitzen seine Augen – genau das hat er sich für die Zukunft vorgenommen: Mit den großen Paulinenhof-Traktoren über die Felder zu fahren. „Das Zeug zum Führerschein-Machen hat Silvio. Da werden wir in nächster Zukunft dranbleiben und versuchen, dass er das schafft“, erzählt Landwirtschaftsmeister Dietmar Oppenländer. Auch sonst steckt noch jede Menge Potential in dem Beschäftigten – so steht auf dem Förderprogramm des Betriebs, dass seine Sinne weiter geschärft werden für Kleinigkeiten, die er ab und zu noch übersieht und er wird zukünftig auch noch mehr Verantwortung übertragen bekommen. So ist er im Büro des Bioland-Hofes, der zu den Backnanger Werkstätten der Paulinenpflege gehört, auch für die Lieferschein-Ablage zuständig.

Bei all der Arbeit kommt für Silvio die Freizeit allerdings nicht zu kurz. Nach Feierabend geht’s in den Wohnheimen des Paulinenhofs rund. Selten ist er allein – meistens sammeln sich in seinem Zimmer die Mitbewohner und dann wird Party gemacht. Besonders gern „duelliert“ er sich mit seinen Kollegen am Gamecube. Verständigungsprobleme zwischen ihm und seinen teilweise hörenden Mitbewohner gibt’s nur selten. Einige haben extra einen Gebärdenkurs besucht und wenn’s trotzdem mal hakt, wird mit Händen, Füßen, Stift und Zettel „geredet“. Für Silvio Richter ist der Paulinenhof mehr als nur eine Wohn- und Arbeitsstätte – für ihn ist der Hof so etwas wie eine Großfamilie. „Während sich andere gehörlose Bewohner bei uns öfter mal zurückziehen, ist Silvio immer vorne mit dabei, wo was passiert. Durch seine sympathisch-schlitzohrige Art bringt er immer wieder neuen Schwung und gute Laune in die Hofgemeinschaft rein“, freut sich Dietmar Oppenländer. Während sein Chef das erzählt, setzt Silvio Richter sein typisches Grinsen auf und damit ist klar: Nach Feierabend steppt nicht nur die Kuh auf dem Paulinenhof!

Bericht: Matthias Knödler, Paulinenpflege Winnenden in "Konsequenzen 2/2005", Diakonisches Werk Württemberg.

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