Schon kurz vor 17 Uhr sitzen alle, ja wirklich alle Bewohnerinnen und Bewohner der Obergeschoss-Wohngruppe im riesigen Wohnzimmer der Wohnstätte Murrhardt. „Kommt er schon?“ fragt der eine, „Nein, aber gleich, ich kann’s kaum erwarten“ sagt die andere. Es wird vorsichtig getuschelt, schließlich könnte der Gast jederzeit an der Tür stehen. Und das ist kein Geringerer als Murrhardts Bürgermeister Armin Mössner. Als er um 17 Uhr erscheint, gibt es einen so herzlichen und lauten Applaus wie ihn sicher nicht einmal ein Bürgermeister täglich erleben darf. Armin Mössner ist sichtlich erfreut und setzt sich auf das Sofa mitten in die Menge. Und schon hängen rund 20 Wohnstätten-Bewohner an seinen Lippen.
Bereits am Wochenende haben die Menschen mit Behinderung gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wohnstätte überlegt, was sie den Bürgermeister fragen können. Und es kommen Fragen aus allen Lebensbereichen. Mit „Wie geht’s Ihnen Herr Bürgermeister?“ eröffnet Gruppenleiterin Edith Schüler die Fragerunde und Armin Mössner erzählt, dass es kurz vor der Bürgermeisterwahl schon etwas stressiger zugeht, aber dass es auch Spaß mache, mit möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu kommen. Derzeit ist er in vielen Ecken seiner Gemeinde unterwegs.
Danach geht’s um sein Wahlprogramm und was er z.B. gegen den Klimawandel unternehmen will, genauso wie um ganz persönliche Fragen wie „Was ist denn Ihr Lieblingsessen?“ „Also ich esse grundsätzlich sehr gerne. Von international bis ganz typisch schwäbisch. Linsen mit Spätzle sind natürlich nicht zu toppen“. Da können die Menschen mit Behinderung ausnahmslos zustimmen.
Wichtig ist den Bewohnerinnen und Bewohnern auch zu wissen, was Armin Mössner darüber denkt, dass sie seit der Europawahl alle wählen dürfen. „Ich finde das gut, wenn alle Bürgerinnen und Bürger wählen dürfen – egal ob sie behindert sind oder nicht. Wichtig ist, dass man sich vorher informiert und dann zur Wahl geht“, erläutert der Bürgermeister. Bei allen Fragen zeigt sich, dass die Menschen mit Behinderung sehr interessierte Murrhardter Bürger sind und genau wissen, was in ihrer Stadt gerade passiert. Egal ob es um den Neubau eines Pflegeheims geht oder um Murrhardt als neuen Notarzt-Standort. Einer der Bewohner der Wohnstätte Murrhardt sitzt regelmäßig in den öffentlichen Gemeinderatssitzungen und bezeichnet sich selbst als „Bürgermeister der Wohnstätte“. Somit kommt es beim Besuch von Armin Mössner zu einem echten Gipfeltreffen von Bürgermeister zu Bürgermeister.
Am Ende der Fragerunde muss sich Bürgermeister Mössner natürlich auch noch unbedingt das Zimmer von Bewohner Thomas Maurer anschauen. Er ist wohl einer der berühmtesten Bürger Murrhardts, zudem noch Ehrendirigent bei einigen Musikkapellen. Er hat auch den Besuch des Bürgermeisters angeregt. „Er kommt regelmäßig zu uns ins Rathaus. Allerdings eher zu meinen weiblichen Mitarbeiterinnen als zu mir“, schmunzelt der Bürgermeister bei der Verabschiedung.