Eine Schule mit Tattoo-Studio, Candy-Werkstatt, Pizzeria, Second-Hand-Shop und Fitness-Studio – so haben Schüler und Besucher die Bodenwaldschule der Paulinenpflege in den letzten Tagen erlebt. Denn kurz vor den Sommerferien verwandeln sich die Klassenzimmer, Turnhalle und Nebengebäude in eine Spielstadt, vielmehr in die "Stadt der Eulen". Selbstverständlich ist dann auch Gottfried Götz nicht mehr der Rektor, sondern der Bürgermeister.
Und auch sonst gibt es am sogenannten „Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum für emotionale und soziale Entwicklung“ am Rande des Bodenwalds wirklich alles, was eine echte Stadt auch hat: Eine Bank, eine Zeitung, Stadthelfer und für schwerwiegende Vorkommnisse sogar ein Gericht. "Das haben wir in diesem Jahr aber noch nicht einberufen müssen", freut sich Gottfried Götz. Kein Wunder - die Stimmung in der Stadt ist bei Schülern, Lehrkräften und Sozpäds ähm nein bei den Bürgern und Bürgerinnen friedlich und ausgelassen.
"Herr Bürgermeister, ich möchte nächstes Jahr zwei Wochen Spielstadt, denn da muss man nicht so viel sitzen, es gibt keine Strafarbeiten und keine Noten. Es ist ein bisschen wie Ferien", sagt ein Schüler. Allerdings wird in der Spielstadt-Woche trotzdem einiges gelernt: "Dadurch, dass unsere Schüler-Bürger richtig arbeiten und Euronen verdienen, bekommen sie einen Einblick in die Arbeitswelt und lernen den Umgang mit Geld. Sie zahlen sogar Steuern. Wir erleben die Kinder und Jugendlichen ganz anders als im Schulunterricht, da sie auch nicht in Klassen getrennt sind" erzählt Gottfried Götz.
Dafür lohnen sich auch die aufwändigen Vorbereitungen im Vorfeld: „Es gibt einige Dinge, die für die Spielstadt jedes Jahr gesetzt sind, wie z.B. die Suppenküche, die Tombola, der Kaufladen, die Bank, die Zeitungsredaktion oder auch die Stadthelfer, die z.B. Besucher durch die Stadt führen. Trotzdem müssen wir uns auch immer wieder etwas Neues für die Werkstatt-Angebote einfallen lassen.“ Und so gibt es in diesem Jahr zum Beispiel erstmals eine Upcycling-Werkstatt, in der aus alten PET-Flaschen und Überraschungs-Eier-Plastikverpackungen ein Fangballspiel in Form eines gefräßigen Haifisches gebastelt werden kann.
Altbewährt ist ein ausgeklügeltes System im Spielstadt-eigenen Arbeitsamt – dort werden die Schüler in die verschiedenen Werkstätten vermittelt. Die dort verdienten Euronen können dann z.B. in der Pizzeria, Suppenküche, bei der Tombola oder für die selbst hergestellten Produkte der Werkstätten ausgegeben werden. Und natürlich kann auch das Sparbuch damit befüllt werden. Als Richtwert gibt es einen zweieinhalb-Stunden-Arbeitstag: „Diesen Tag dürfen sich die Schüler selbst einteilen. Sie bestimmen selbst, wann sie eine Pause machen und wann sie etwas essen. Damit wird auch das Treffen von selbständigen Entscheidungen innerhalb eines weit gesteckten Rahmens eingeübt“, erklärt Gottfried Götz.
Der Name der Spielstadt wurde ebenfalls von den Schülern entschieden. Im Vorfeld gibt es von jeder Klasse einen Vorschlag und dann wird demokratisch abgestimmt. Das Highlight ist das Spielstadt-Fest kurz vor dem Wochenende, bei dem die Schüler ihre Stadt den Eltern, Freunden und Verwandten stolz zeigen können. Und auf diese Stadt der Eulen können alle Beteiligten wirklich sehr, sehr stolz sein.