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„Ohne die Reha-Werkstatt der Paulinenpflege wären wir vermutlich arbeitssuchend“

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Christina Eißele und Michael Fähnle arbeiten schon viele Jahre im Backnanger Erlenwäldchen.

"Mein Neurologe hat mich 1999 gefragt, ob ich mir nicht mal die Reha-Werkstatt in Backnang anschauen und dort ein Praktikum machen will“, erzählt Michael Fähnle über seinen Arbeitseinstieg in die Werkstatt für behinderte Menschen der Paulinenpflege. Der 49-Jährige ist gelernter Industriebuchbinder und hat durch einen Schädelbasisbruch im Kindesalter neurologische Einschränkungen. „Damals ging es in meinem Betrieb und auch in meinem Beruf einfach nicht mehr. Ich war aufgrund meiner Erkrankung nicht mehr belastbar.“

Im Rückblick ist er seinem Neurologen dankbar: „Hier in der Reha-Werkstatt habe ich meinen Platz gefunden. Ich arbeite in einer Büro- und Montage-Arbeitsgruppe. Die Arbeit macht mir Spaß, sie ist nie monoton oder langweilig. Hier finde ich immer ein offenes Ohr, wenn ich Probleme habe“, erzählt Michael Fähnle. Zum Arbeitsglück kommt bei Michael Fähnle auch das Glück in der Liebe dazu, denn auch seine Frau hat er in der Reha-Werkstatt kennen gelernt.

Natürlich war der Wechsel von der freien Wirtschaft in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung bzw. einer psychischen Erkrankung erstmal ein großer Einschnitt in seinem Leben. „Ich musste mich vor allem finanziell umstellen. Die Arbeitsprämie hier ist nicht zu vergleichen mit dem Gehalt in einem normalen Betrieb. Aber ich weiß auch, dass ich mit meinen Einschränkungen ohne die Reha-Werkstatt vermutlich arbeitssuchend wäre. Ich würde mich selbst anlügen, wenn ich anderswo einen Arbeitsplatz mit diesen Leistungsansprüchen ich finden könnte.“

Im Lauf der Jahre hat er durch die Begleitung und Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Reha-Werkstatt, die zu den Backnanger Werkstätten der Paulinenpflege gehört, einiges dazugelernt und sich stabilisiert: „Ich muss hier nicht täglich funktionieren. Das hat für mich den Druck rausgenommen, der mir schwer zu schaffen macht und mich regelrecht lahmgelegt hat. In der Reha-Werkstatt kann ich mein Arbeitstempo selbst bestimmen“. Seine direkte Ansprechpartnerin und Gruppenleiterin Tamara Schwaderer ergänzt: „Man sieht Herrn Fähnle die Behinderung und Einschränkungen nicht sofort an. Daher wirkt er fitter und belastbarer als er eigentlich ist. Ich weise ihn regelmäßig darauf hin, dass er äußern muss, wenn er eine Pause braucht bzw. eine bestimmte Tätigkeit gerade nicht zu seiner Befindlichkeit passt.“

Im Nebengebäude findet sich die Arbeitsgruppe von Christina Eißele. Die 35-jährige Epileptikerin hat eine kleine Odyssee hinter sich. „Zunächst habe ich eine Ausbildung zur Bürokauffrau erfolgreich abgeschlossen, doch dann habe ich keinen Job gefunden. Vermutlich liegt dies an meinem Schwerbehindertenausweis, der schreckt viele Betriebe ab. Nach einigen Klinikaufenthalten, bei denen meine Epilepsie gut eingestellt wurde, habe ich mehrere Arbeitsmaßnahmen durchlaufen, um wieder ins Arbeitsleben zurückkehren zu können.“ Auf der langen Liste der Versuche stehen bei Christina Eißele Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in einer integrativen Firma mit befristeten Verträgen und auch die sogenannte „Unterstützte Beschäftigung“, die ebenfalls von der Arbeitsagentur bezahlt wird.

Nun ist sie froh, dass sie in der Reha-Werkstatt ist, auch wenn sie hier inzwischen ganz andere Tätigkeiten ausübt, als sie ursprünglich gelernt hat: „Ich war zwar zunächst auch hier in unserer Büro-Arbeitsgruppe fühle mich in der Montagegruppe aber besser aufgehoben.“ In der Arbeitsgruppe von Gruppenleiter Martin Klenk zieht sie O-Ringe auf Filter oder Schläuche für Hochdruckreiniger auf.

Auch Martin Klenk ist es wichtig, dass seine Beschäftigten den passenden Arbeitsplatz haben: „Wir achten z.B. darauf, dass Frau Eißele an keiner Maschine arbeitet, da dies bei einem epileptischen Anfall zu einem gefährlichen Unfall führen könnte. Wesentlich ist für sie auch die individuelle Arbeitszeit, d.h. sie kann eine Stunde früher in den Feierabend gehen.“ Da ihre Medikamente müde machen, braucht Christina Eißele diese verkürzte Arbeitszeit: „Es kostet mich auch Kraft und Zeit, dass ich meinen Haushalt selbständig führe. Außerdem bin ich froh, dass ich jederzeit Pausen machen kann, wenn es mir schlecht geht. Hier in der Werkstatt gibt es keinen Leistungsdruck. Das Wichtigste ist aber, dass ich trotz meiner Behinderung wertgeschätzt werde. Hier schaut keiner auf mich runter.“

Die 25-Jährige ist seit sechs Jahren in der Werkstatt der Paulinenpflege und sehr engagiert. „Ich bin im Werkstattrat. Hier wird dafür gesorgt, dass z.B. Verbesserungsvorschläge von anderen Beschäftigten aus unserem Kummerkasten umgesetzt werden. So haben wir einen kostenlosen Wasserspender als Alternative zum kostenpflichten Getränkeautomaten eingeführt“, erzählt Christina Eißele stolz. Dieses Engagement schätzt auch Martin Klenk: „Es ist toll, dass Frau Eißele in diesem Gremium Verantwortung übernimmt und sich für ihre Mitbeschäftigten einsetzt. Auch hier in der Arbeitsgruppe sagt sie gerade heraus, wenn etwas nicht passt“.

Wie bei Michael Fähnle ist auch bei Christina Eißele spürbar, dass es bei ihr um er als irgendeinen Job geht. Beide haben ihren Platz gefunden, an dem sie gefordert und gefördert werden und das alles im Rahmen ihren Möglichkeiten. Darauf weist derzeit übrigens auch bundesweit die „Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderten Menschen e.V.“ hin. In der aktuellen Kampagne soll mit dem Klischee aufgeräumt werden, Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen sei monoton und anspruchslos. Christina Eißele und Michael Fähnle sind Beispiele dafür, dass diese Vorurteile nicht stimmen.

Mehr Infos zur Kampagne finden Sie hier: www.werkstatt-ist-mehr.de oder in der BAG-Pressemitteilung unten auf der Seite!

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