Zum Inhalt springen

Paulinenpflege-Bewohner auf der Suche nach seiner Heimat

Erwin Weller, der seit über 40 Jahren in der Paulinenpflege lebt, ist ein echtes Orginal.

Wer sich durch sein Bruddeln nicht abschrecken lässt, erlebt ihn immer wieder als den liebsten Menschen. Eine von diesen „Unerschrockenen“ ist Margarete Kölz, ehemalige Mitarbeiterin und trotz ihres Ruhestandes immer noch ehrenamtlich aktiv und eng verbunden mit einigen Bewohnern der Paulinenpflege.

Sie hat Erwin besonders in sein Herz geschlossen. Mit ihr sitzt er lächelnd und Händchen haltend da, plaudert bei seinem geliebten Tee und Keksen und zieht dann zufrieden an seiner Pfeife. Er freut sich dann einfach, dass jemand da ist, der nur für ihn Zeit hat.

Neulich hatte er Geburtstag. Sein größter Wunsch war es, mal wieder etwas von seiner Heimat zu sehen, und sei es auch nur auf der Landkarte. Margarete Kölz wusste, woher er kommt und zeigte ihm eine Karte vom Schwäbischen Wald. Hier zeichneten sie gemeinsam die Orte und Straßen ein, die zwischen Winnenden und Ebni liegen. Dabei korrigiert Erwin Frau Kölz immer wieder. Er kennt sich gut aus in seiner alten Heimat, denn früher war er ein eifriger Spaziergänger. Als sie bei Ebni angekommen sind, tritt Erwin ganz aufgeregt von einem Bein auf das andere, klopft seine Pfeife aus und schreit: „Nein, nein… Ich will wissa, wo meine Hoimat ist – Wo dr Frazenwiesenhof ? Zeig mir doch mei Haus, des muss doch do drauf sei, des wois i bestimmt !“ Frau Kölz wusste, dass auf dieser Landkarte seine einstige Heimat, ein Bauernhof auf dem Fratzenwiesenhof, nicht mehr zu finden war. Es wurde längst ersetzt durch ein Wohnhaus. Doch diese Enttäuschung, dass es seine „Hoimat“ gar nicht mehr gibt, wollte Margarete Kölz dem Erwin ersparen.

Doch Erwin lässt nicht locker. Bei jedem Besuch fragt er nach, ob sie denn seine Heimat inzwischen gefunden hätte, sie hätte es doch versprochen. Zu seinem Geburtstag schenkte Margarete Kölz ihm, der nur noch auf einem Auge sieht, ein Fernrohr und eine Landkarte. Doch die Geschenke schaute er gar nicht erst an. „Mei Heimat will i - Du hast es mir doch versprocha.“ Das konnte Frau Kölz nicht auf sich sitzen lassen und so forschte sie weiter. Nachdem die Anfragen bei der Kreissparkasse und der Verwaltung in Althütte nach Fotos oder alten Karten erfolglos blieben, wandte sie sich an das Rathaus in Kaisersbach.

Obwohl es ein Samstagmorgen war, an dem Frau Kölz im Rathaus anrief, meldete sich ein Herr, wie sich später rausstellte, der Bürgermeister Bodo Kern persönlich. Sie schilderte ihr Anliegen und Bodo Kern stellte fest, dass er Erwin von seinen früheren Spaziergängen durch den ganzen Schwäbischen Wald her kannte. Daraufhin fuhr der Bürgermeister ganz persönlich noch an diesem Wochenende auf den Fratzenwiesenhof, um für den behinderten Erwin Weller Fotos von dort zu machen. Einige Tage später händigte der Postbote Frau Kölz einen DIN A4 Umschlag aus, Absender Bürgermeisteramt Kaisersbach. Nun konnte sie Erwin 24 Fotos und sieben Aufnahmen in DIN A 4 überbringen. „Schade, dass Bürgermeister Kern nicht miterleben konnte, mit welcher Ruhe und fast stillem Gedenken Erwin diese Bilder immer wieder anschaut“, sagt Margarete Kölz.

Doch dann steckt er den ganzen Umschlag in seine Schrankschublade und klebt sie mit Tesa zu, denn da ist seine Hoimat drin ! Die zwei Großaufnahmen, die als Bilder an der Wand aufgehängt sind, nimmt er immer mal wieder ab und legt sie unter sein Kopfkissen. Niemand darf sie berühren, denn das ist seine Heimat.

Zurück