Inspektor Heinrich Bäßler konnte im Mai des Jahres 1906 ein neues „Taubstummenasyl“ in Winnenden einweihen, in dem gehörlose Menschen Obdach, Verpflegung und Beschäftigung fanden. In den Räumen des Hauses gab es Platz für ein völlig neues Arbeitsangebot: Eine Korbmacherei wurde gegründet, „wo taubstummen Knaben die Gelegenheit zur Erlernung eines Handwerks geboten ist“, so der damalige Leiter der Paulinenpflege Winnenden. Im Mai 2006 wurde das Jubiläum in den Backnanger Werkstätten der Paulinenpflege gefeiert, wohin die Korbmacherwerkstatt 1977 umgezogen war.
Zum Jubiläum gratulierte der Bundesinnungsmeister des Flechtwerkgestalterhandwerks, Siegfried Katz. Er lobte die „außerordentliche Kontinuität der Arbeit der Paulinenpflege“, die sich damit um den Erhalt und die Weiterentwicklung des Korbmacherhandwerks verdient gemacht habe. Andreas Fiala, Vizepräsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, überreichte zum 100-jährigen Bestehen eine Ehrenurkunde. Anläßlich des Jubiläums enthüllten die Vorstände der Paulinenpflege einen von der Werkstatt hergestellten, drei Meter hohen „Jubiläumskorb“, der künftig als Werbeeinrichtung das Dach des Paulinenlädles in der Industriestraße schmücken soll.
In der Tat war die Arbeit der Korbmacherwerkstatt von Anfang an durch Kontinuität geprägt. Es gab wenig Wechsel bei den Meistern. Matthias Bachmann, der heute Werkstatt leitet, ist erst der fünfte Meister in den 100 Jahren. Auch die „Pfleglinge“, in der Paulinenpflege lebende behinderte Menschen, finden hier meist einen Arbeitsplatz für das ganze Leben. Aufträge gab es immer genug, so überstand die Werkstatt zwei Weltkriege, gute und schlechte Zeiten. Neben der Beschäftigung der Pfleglinge wurden stets auch hörgeschädigte Korbmachergesellen ausgebildet, bis man diesen Berufszweig Ende der 70-er Jahre aufgab. Zur Feier war auch „der dienstälteste Korbmacher der Paulinenpflege aller Zeiten“, Rainer Reinschmidt, eingeladen. Der halbseitig gelähmte und schwerhörige junge Mann war 1954 in die Werkstatt gekommen und hatte dort 51 Jahre lang bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im letzten Jahr gearbeitet.
Zusammen mit Meister Matthias Bachmann ist die Korbmacherabteilung heute 12 Personen stark. Angeboten wird die gesamte Palette an Flechtprodukten aus Weiden, Bast oder Rattan, große oder kleine Körbe aller erdenklicher Formen für jeden Zweck, dazu kommen sogenannte Stuhl- und Rahmengeflechte, das sind Sitzflächen oder Rückenlehnen von Stühlen aus Omas Zeiten. Einkaufskörbe sind vorrätig, ansonsten wird schnell und ideenreich nach Kundenwunsch gearbeitet. Wer einkaufen will oder einfach nur einen Blick in die Werkstatt in der Industriestraße 18 in Backnang werfen möchte, ist dort herzlich willkommen.