Stolz sitzen Marcel Taus und Vicent Bay mit Jugend- und Heimerzieher Oliver Dentz im Wohnzimmer der Waiblinger Jugendwohngemeinschaft. Beide haben einen wichtigen Schritt in ihrer nicht immer ganz einfachen Biografie geschafft: Marcel Taus ist seit Sommer Uhrmacher-Geselle gekrönt durch eine Belobigung und einen Schülerpreis. Vincent Bay hat vor kurzem das Abitur mit Bravour geschafft. Beide sind sich einig, dass dies nur mit Unterstützung der Jugendwohngemeinschaft der Paulinenpflege Winnenden so gut geklappt hat.
Marcel Taus ist schon lange Klient im Jugendhilfeverbund der Paulinenpflege. 2008 wurde er in eine der Innenwohngruppen des Jugendhilfeverbunds und der Bodenwaldschule aufgenommen. „Damals wusste ich nicht genau, was da passiert. Ich dachte, ich wohne halt mal da und gehe aber weiterhin auf meine bisherige Schule. Es ändert sich jetzt erstmal nicht viel für mich“. Dass er deutlich mehr Unterstützung braucht, wurde Marcel Taus erst nach und nach deutlich. Seine wichtigste Erkenntnis: „Irgendwann wurde mir klar, dass es nicht darum geht, dass die Erzieher ihre Vorschriften und Regeln durchsetzen, sondern dass ich gemeinsam mit ihnen was aus meinem Leben mache. Ohne gegenseitiges Vertrauen und Respekt läuft gar nichts.“
Gegenseitiger Respekt sei ausschlaggebend bei der positiven Entwicklung im Jugendhilfeverbund gewesen, betont auch Jugendwohngemeinschaft-Mitarbeiter Oliver Dentz. „Wir haben viel investiert in Marcel. Seit 2012 ist er auch Teilnehmer in meiner Box AG. Hier geht es viel um Verhaltensrespekt und Verhaltenskorrektur.“ Weil Dentz Marcel Taus schon von der Box AG kannte, kam es 2016 zum zunächst mutig erscheinenden Wechsel von der eng betreuten Innenwohngruppe in die sehr selbstständige Jugendwohngemeinschaft von Oliver Dentz und seiner Kollegin Kerstin Weyland in Waiblingen. Unterstützt wurde der Plan auch von Abteilungsleiterin Loni Reisser-Kriesel, die sowohl für die Innenwohngruppen als auch für die Jugendwohngemeinschaften zuständig ist.
Für Marcel Taus war es im Nachhinein betrachtet genau das Richtige. Er hat den zusätzlich gewonnenen Freiraum gut genutzt und sich in dieser Zeit auch einen Traum erfüllt: Er hat die Ausbildung zum Uhrmacher an der Berufsfachschule in Pforzheim angefangen. Schon als Kind und Jugendlicher hat er sich für Uhren interessiert und war vom Uhrmacher-Handwerk begeistert. Schon mit 12 Jahren hat er einem Uhrmacher in Winnenden über die Schulter geschaut – da war ihm klar: Das will ich auch machen! Jetzt ist er Uhrmachergeselle und fängt in wenigen Wochen genau bei diesem Uhrmacher an zu arbeiten.
Die Jugendhilfe-Geschichte von Vincent Bay ist deutlich kürzer und dennoch war auch bei ihm die Jugendwohngemeinschaft ein wichtiger Wendepunkt in seinem Leben. Als er im Frühjahr 2018 dort eingezogen ist, war in seinem Leben vieles in Unordnung. „Meine Mutter wollte das Beste für mich, war aber besonders mit meinem damaligen Drogenkonsum überfordert“, erzählt Vincent Bay sehr offen. In der Jugendwohngemeinschaft und der Box AG hat Vincent Bay gelernt, seine Energie besser zu kanalisieren. „Ich habe gelernt, dass ich auch kritische Rückmeldungen von den Erziehern annehmen kann. Inzwischen schätze ich die Autorität von Herrn Dentz und respektiere ihn. Sehr wichtig war für mich auch sein Boxprojekt. Das ist ein echter Rückmeldungssport.“
Oliver Dentz ergänzt: „Es ist wichtig, dass wir hier nicht nur fachlich kompetent sind, sondern dass uns unsere Klienten am Herzen liegen. Auch wir machen manchmal Fehler, wir müssen dann aber die Größe haben, uns dann auch zu entschuldigen.“ Nun hat Vincent Bay also sein Abitur in der Tasche und studiert ab Herbst Geowissenschaften an der Uni Münster. Oliver Dentz sieht die Erfolge „seiner“ Jungs mit einem lachenden und ein wenig auch mit einem weinenden Auge: „Unsere Team freut sich riesig über die Erfolge der beiden. So eine konstruktive Wohngemeinschaft hatte ich noch nie. Die zwei werden hier sicher fehlen“. Eins ist allerdings sicher, weder Marcel Taus noch Vincent Bay werden die Jugendwohngemeinschaft und das Erzieher-Team hier vergessen. „Die Zeit hier war ein wichtiger Teil unseres Lebens. Wir waren hier sehr konstruktiv unterwegs“, fassen die zwei ihre Zeit in der Paulinenpflege zusammen.