Ulrich Thudium freut sich, dass seine Schüler im Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf (VAB) wieder vor Ort in der Schule sind: „Alle sind froh, dass der Präsenzunterricht wieder angefangen hat“, so Thudium, „gerade für unsere Schüler kann der Online-Unterricht niemals das ersetzen, was sie in der Schule lernen.“ Durch die sehr kleinen Klassen in der Schule beim Jakobsweg als Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum im Bereich Hören, Sprache und Kommunikation kann bereits wieder mehr Präsenz-Unterricht stattfinden als in den meisten anderen Schulen.
Ulrich Thudium ist technischer Lehrer in der Schule beim Jakobsweg der Paulinenpflege Winnenden und ist für das Berufsfeld Agrartechnik verantwortlich. Die Schüler dieses Berufsfeldes werden meist einfach als „Gartenklasse“ bezeichnet. Für sie gibt es an der Schule ein eigenes Gewächshaus. Das VAB ist einer der Bildungsgänge der Schule beim Jakobsweg. Diesen Bildungsgang besuchen Schülerinnen und Schüler, die aufgrund ihrer Behinderung oder einer anderen Einschränkung noch keinen Hauptschulabschluss erwerben konnten. Im VAB werden sie auf den Schulabschluss sowie für eine Berufsausbildung vorbereitet. Im VAB wählen die Schüler deshalb bereits eines der Berufsfelder Metalltechnik, Farbtechnik, Holztechnik, Ernährung und Hauswirtschaft oder Agrartechnik.
„Klar haben wir Lehrer uns viel überlegt, was die Schüler auch von zuhause aus lernen können“, berichtet Thudium. So hat er für seine Garten-Klasse Knospen fotografiert, seinen Schülern geschickt und diese mussten erkennen, zu welcher Pflanze diese gehören. Im Online-Unterricht hat Ulrich Thudium auch Aufgaben gestellt, welche die Schüler im Freien ausführen mussten: „Frühjahrsblüher wie Narzissen und Krokusse finden und beschreiben“, so lautete eine seiner Aufgaben. Sogar Vögel beobachten mussten die Schüler: „Wir schenkten allen Schülern ein Vogelbestimmungsbuch, schickten sie damit bei sich zuhause in einen Park oder an den Waldrand und sie mussten Vögel erkennen und beschreiben.“
Auch Wetterdaten zu erheben lautete eine der Aufgaben für die Gartenbau-Schüler im Homeschooling: „Die richtige Aufmerksamkeit für das Wetter zu bekommen ist für unseren Berufsstand wichtig. Kommt ein Frost, dann muss man Beete abdecken. Steht Regenwetter bevor, muss man nicht gießen.“ Wie alle Schüler musste auch die Gartenklasse Aufgaben in den allgemeinbildenden Fächern lösen. Ulrich Thudium Kollege Hermann Schlichenmaier, der für die allgemeinbildenden Fächer im VAB verantwortlich ist, verschickte die Aufgaben online. Zweimal wöchentlich gab es eine Videokonferenz mit seinen Schülern. „Trotz allen Bemühungen“, so das Fazit von Thudium, „unsere Schüler brauchen praktische Arbeit und echte Erlebnisse im Gewächshaus und draußen auf den Gartenflächen. Das kann kein Online-Unterricht ersetzen.“
Thorsten Steinke, technischer Lehrer in der Metall-Klasse des VAB, fasst seine Erfahrungen mit dem Homeschooling ähnlich zusammen. „Die Theorie zur Metalltechnik online zu erklären, das geht schon“, bestätigt er. So habe er in der letzten Phase des Homeschooling seinen Schülern den Theorieteil von Metallgewinden erläutert. „Innengewinde, Außengewinde, Flankendurchmesser berechnen und noch manches andere geht auch online. Aber um all das anwenden zu können brauchen wir eine Werkstatt“, so Thorsten Steinke, „unsere Schülerinnen und Schüler müssen ja auch an Maschinen üben.“
Bei Videokonferenzen mit seinen gehörlosen Schülern sei auch ein Gebärdendolmetscher zugeschaltet gewesen, berichtet Steinke. Er und der Klassenlehrer der Metallklasse Dirk Neumann verschickten Lernpakete an ihre Schülerinnen und Schüler. Gemeinsam mit Dirk Neumann stellte Thorsten Steinke sogar einen Experimentierkasten für jeden Schüler zusammen, damit sie auch zuhause wenigstens ein bisschen praktische Arbeit erleben konnten. Wie viele andere Praktiker im Bildungswesen mit ihm stimmt auch Steinke nicht in das Loblied auf das Homeschooling mit ein: „Besser als gar kein Unterricht war das schon, aber in der Schule lernen unsere Schülerinnen und Schüler eindeutig mehr, als wenn sie nur zuhause sind.“