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Glück ist wie ein Muskel, der wächst, wenn er trainiert wird - Glücksunterricht jetzt nachhören!

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Hör- und sprachbehinderte Schüler der Berufsschulstufe lernen, wie sie glücklicher werden können.

Alles andere als unglücklich sehen Daniela, Annika, Sascha, Alexander, Simone, Robin und André aus – und das, obwohl die hör- und sprachbehinderten Schüler der Berufsschulstufe an einem herrlich sonnigen Nachmittag im Klassenzimmer in Winnenden sitzen müssen. Hier ist mehr von „wollen“ die Rede, denn die sechs Schüler haben freiwillig das Fach „Glück“ belegt. Diese außergewöhnliche AG gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal auf dem Stundenplan der Berufsschulstufe der Paulinenpflege Winnenden.

 

Und nicht nur die Glücks-Schüler sind vom Unterricht überzeugt und begeistert. Lehrerin Beate Gelhaus hat den Glücksunterricht konzipiert und ins Leben gerufen: „Bisher haben mir in der Schule immer ein bisschen Inhalte gefehlt, in denen es darum geht, wie motiviere ich mich, was trägt zu meinem Glück bei. Jeder von uns trägt die Fähigkeit in sich, glücklich zu sein. Sie braucht nur geweckt und gefördert zu werden und wird wachsen, wie ein Muskel, der trainiert wird.“

Insgesamt gibt es etwa 28 Unterrichtseinheiten, in denen es um das ganz persönliche „Glück“ der einzelnen Schüler geht. Demnach ist nicht alles vorherbestimmt, Glück kann durchaus beeinflusst werden. In der heutigen Schulstunde dürfen sich die Schülerinnen und Schüler erst mal eine Monstergefühlskarte aussuchen, die symbolisiert, wie es dem einzelnen geht. Ein Schüler wählt das „Ärgermonster“, da ihm sein gesetzlicher Betreuer gesagt hat, dass er manche Dinge nie schaffen wird. Eine andere Schülerin zieht die Daumen-nach-oben-Monster-Karte, weil sie eine Arbeit gut bewältigt hat. Auch das Hängematten-Monster kommt zum Zug, denn draußen ist ja schönes Wetter. Zudem wissen Daniela, Annika und ihre Mitschüler über echte Glücksmomente in dieser Woche zu berichten: So war das z.B. die SMS, in der stand: „Ich hab Dich lieb!“ oder dass jemand anderes beim Einkaufen die Tür aufgehalten und ganz spontan geholfen hat.

„Wir sind sehr oft von Glück umgeben und merken es gar nicht mehr. Dieses bewusst zu machen, ist eines der Ziele unseres Glücksunterrichts. Genauso geht es darum, aufzuzeigen, wo wir Glücksgefühle fördern können“, erzählt Eva Rustemeier, Abteilungsleiterin der Berufsschulstufe. Sie hat Beate Gelhaus motiviert und unterstützt, das Glücksprojekt in der Paulinenpflege durchzuführen. Ebenso kann man Glück nicht nur für sich behalten, es muss weitergegeben werden – dies zeigt ein weiteres Experiment im Unterricht: Die Schüler werden aufgefordert Luft zu holen, bis es nicht mehr weiter geht und dann: Wir müssen die Luft wieder abgeben. Genauso verhält es sich mit dem Glück – dies kann nicht immer nur ständig genommen und eingeatmet werden. Irgendwann muss dieses auch an andere abgegeben und verteilt werden, damit ich wieder nehmen kann. Dies geschieht z.B. in Form von Danke sagen, Wertschätzung ausdrücken, Achtsamkeit für meine Umgebung, Freundlichkeit und Blickkontakt geben, Hilfestellung anbieten, positive Gedanken haben und weitergeben.

In den Schulstunden zuvor wurde ein Glücksvertrag abgeschlossen. Dort wird festgelegt: „Niemand ist für mein Glück verantwortlich – nur ich selbst! Mein Leben ist wie ein Tanz und ich sorge für meine Stimmung, Laune und die Tanzpartner“. Die Schüler schreiben in den Vertrag, wie ihr optimales Leben aussehen soll und was sie überhaupt nicht möchten.

Ein weiteres wichtiges Instrument des Unterrichts ist das Glücksthermometer. Dazu Beate Gelhaus: „Das Thermometer setze ich im Unterricht als Einschätzungsskala ein. Damit können die Glücksschüler z.B. ausdrücken, wie geht es mir mit meiner Behinderung, wie zufrieden bin ich mit meinem Körper, wie viel kämpfe ich gegen das an, was ich nicht haben will? Dies erleichtert es, über solche sehr wichtigen Glücksthemen der Schüler zu sprechen und darüber nachzudenken“.

Besonders stolz sind die Schülerinnen und Schüler auf ihren Glücksschirm, auf den einzelne Bestandteile von Glück geschrieben sind, u.a. gute Kommunikation, Dankbarkeit, Verantwortung für seine Gedanken, Gefühle und Worte, Ziele und Wünsche haben und Loslassen von Altem. Am Ende des Unterrichts versammeln sich alle Schüler noch einmal darunter. Die Schulstunde ist mit der Schulglocke allerdings nicht wirklich zu Ende – das weiß auch Abteilungsleiterin Eva Rustemeier: „Das Schöne an dieser Unterrichtsform ist, dass es außerhalb des Klassenzimmers erst richtig los geht. Unsere Schüler erleben ihren Alltag durch den Glücksunterricht anders und intensiver. Sie haben richtig Spaß daran, ihres eigenen Glückes Schmied zu sein“. Während sie das sagt, erleben Daniela, Annika, Sascha, Alexander, Simone, Robin und André vielleicht schon ihren nächsten Glücksmoment.

Hören Sie in den glücklichen Unterrichtsbesuch von Mareike Burkhardt von der "Agentur für Privatradio" in Stuttgart rein:

Oder einfach hier die MP3-Datei herunterladen.

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