Seine Stellenbezeichnung klingt zunächst etwas kühl und nicht besonders lebensfroh: „Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase“. Doch hinter dem neuen Tätigkeitsfeld von Heilerziehungspfleger und Diakon Marcel Swoboda steckt eine durchaus lebensbejahende Aufgabe. Seit Oktober 2020 führt er mit Menschen mit Behinderung, die in den Wohnangeboten Behindertenhilfe der Paulinenpflege leben, Gespräche über ihre Vorstellungen bezüglich Krankheit, Sterben und Tod. „Ich taste mich vorsichtig an diesen Themenbereich heran und falle nicht mit der Tür ins Haus. Meine Aufgabe ist es, unsere Menschen mit Behinderung mit ihren Wünschen, Hoffnungen und Ängsten bezüglich der letzten Lebensphase besser kennenzulernen und zu verstehen. Bei solch intimen Gesprächen ist immer das ‚wie‘ entscheidend.“
Beim Erstgespräch geht es darum, was den Gesprächspartner in der aktuellen Lebenssituation bewegt: „Was hier und heute wichtig ist, das ist auch meist am Lebensende wichtig. Fragen sind hier: Warum lebe ich gerne? Was macht mich aus? Welche Lebensziele möchte ich noch erreichen?“ Die Antworten können das Eingangstor für die schwierigeren Themen sein. Es kommt auch vor, dass das Themengebiet Sterben und Tod erst in weiteren Gesprächen zur Sprache kommt. „Über die Fragen muss ich erst nachdenken“, kann auch eine Antwort sein.
Marcel Swoboda, der auch eine Weiterbildung in Trauerbegleitung absolviert hat, sieht es als Privileg an, diese Gespräche mit seinen Klienten führen zu dürfen: „Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das mir die Menschen entgegenbringen. In Anbetracht dieser schweren Themen lernt man auch wieder, das Leben bzw. das was man hat, zu schätzen. Schön ist auch zu spüren, dass alle Hoffnung haben und ihr Leben als wertvoll empfinden.“
Durch die Verankerung der gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase im neuen Hospiz- und Palliativgesetz ermöglicht der Gesetzgeber jetzt auch ein von den gesetzlichen Krankenkassen finanziertes und qualifiziertes Beratungsangebot in der Paulinenpflege. Die Stelle von Marcel Swoboda wird somit von der Pflegekasse finanziert.
Bei den Gesprächen geht es nicht nur darum, was sich die Bewohnerinnen bzw. Bewohner, die teilweise auch gehörlos sind, medizinisch-pflegerisch in der letzten Lebensphase wünschen, sondern auch welche seelsorgerliche Begleitung gewünscht wird bzw. wie die Sterbebegleitung aussehen soll. Im Mittelpunkt der Gespräche steht immer die Selbstbestimmung und die Lebensqualität der Menschen mit Behinderung. „Manchmal werde ich gefragt, ob unsere Klienten sagen können, was für sie Lebensqualität ist bzw. ob sie sich Sterben und Tod überhaupt vorstellen können. Da entgegne ich, dass es bei diesen Themen deutlich mehr ums Fühlen wie ums Verstehen geht. Im Fühlen sind Menschen mit geistiger Behinderung begabt. Vielleicht sogar begabter. Das ist faszinierend. Selbst wenn sie es manchmal nicht mit Worten ausdrücken können, kann man vieles Beobachten und ihnen abspüren.
Und Gefühle gibt es dann viele – in den Gesprächen wird gelacht, aber auch geweint. Die Äußerung „Ich bin so begeistert, dass ich jeden Morgen lachen kann“ ist genauso wertvoll wie „Ich möchte dieses Thema lieber ein bissle weglassen“. Marcel Swoboda lässt alles zu: „Wichtig ist, dass die Klienten merken, dass da einer da ist, der das aushält und dass es keine Tabus gibt.“
Ein Hauptanliegen bei allen Bewohnerinnen und Bewohnern ist, dass sie auch am Lebensende mit einbezogen werden wollen und dass nicht über ihren Kopf hinweg entschieden wird. Die Wünsche werden von Marcel Swoboda dokumentiert, damit diese in der letzten Lebensphase oder auch schon vorher von den Wohngruppen-Mitarbeitern, medizinischem Personal und auch eventuell von den gesetzlichen Betreuern in wichtigen Entscheidungen berücksichtigt werden können. Doch nicht nur das zählt bei Marcel Swoboda: „Einen Wert an sich haben die Gespräche schon dadurch, dass die Themen ‚Krankheit, Sterben und Tod‘ Raum bekommen und ins Leben geholt werden.“