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Die Wohnstätte Murrhardt hat einen eigenen Bürgermeister

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Menschen mit Behinderung der Paulinenpflege Winnenden wohnen seit 15 Jahren in einem Murrhardter Wohngebiet. Eine außergewöhnliche Großfamilie feiert Jubiläum und hat einen eigenen Bürgermeister ;-)

Es ist ihr Zuhause und darauf sind sie mächtig stolz: Das merkt jeder Besucher, der die Wohnstätte der Paulinenpflege Winnenden in der Murrhardter Ludwig-Beck-Straße betritt. Sofort kommen die Bewohner und scharen sich um den Gast. „Ich bin der Bürgermeister und sitze im Gemeinderat drin“, erzählt einer der Bewohner ganz stolz. Es ist Werner Ackermann, der schon viele Jahre in der Wohnstätte wohnt und mit Begeisterung an den öffentlichen Gemeinderatssitzungen in Murrhardt teilnimmt.

Bewohner Thomas Maurer ist ebenfalls stadtbekannt: Er ist Fan der Musikvereine in der Gegend. „Ich helfe beim Dirigieren. Vor kurzem habe ich sogar den Polizeipräsidenten getroffen, der mir eine CD vom Landespolizeiorchester überreicht hat. Und jetzt bin ich Ehrengast beim Benefizkonzert in Ludwigsburg.“ sprudelt es aus dem Blasmusik-Fan heraus.

Auch alle anderen fühlen sich nicht nur in der Wohnstätte, sondern in Murrhardt und Umgebung daheim. „In den 15 Jahren ist hier Einiges gewachsen. Unsere Leute kennen Murrhardt und die Murrhardter kennen uns“, erzählt Edith Schüler, Gruppenleiterin im Obergeschoss und Frau der ersten Stunde in der Wohnstätte Murrhardt. Monika Jäger ist auch fast schon seit dem Einzug mit dabei, sie ist Gruppenleiterin im Erdgeschoss und freut sich: „Die Nachbarn sind hier sehr nett. Wenn sich mal einer von unseren Bewohnern verläuft, dann merkt das die Nachbarschaft und bringt ihn zurück“.

Im Juli 2000 wurde die Wohnstätte Murrhardt damals eingeweiht. Geplant wurde dieses Wohnangebot der Paulinenpflege Winnenden, weil das Wohnheim „Haus Plattenwald“ in Backnang nicht barrierefrei und für ältere Bewohnerinnen und Bewohner mit Behinderung nicht geeignet war. Zudem wurde nach einer Wohnmöglichkeit für die Beschäftigten aus der Werkstatt für behinderte Menschen in Murrhardt gesucht. Damals wurden 32 Dauerwohnplätze und zwei Kurzzeitplätze geschaffen. Diese waren schnell belegt, erinnert sich Erzieherin Edith Schüler: „Wir sind damals mit einem Teil der Bewohner aus dem Haus Plattenwald nach Murrhardt gezogen. Und dann kamen vielen neue Aufnahmeanfragen aus Murrhardt und Umgebung“.

Inzwischen gibt es immer wieder Anfragen, die nicht sofort bedient werden können. Insgesamt arbeiten in der Wohnstätte der Paulinenpflege Winnenden 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – von Heilerziehungspflegern über Krankenschwestern bis hin zu Arbeits- und Jugend- und Heimerziehern sind hier viele Sozialberufe vertreten.

Auf den Wohngruppen erinnert wenig an ein Wohnheim im klassischen Sinn. Hier gibt es z.B. keinen Speisesaal, sondern jeweils zwei Wohnzimmer pro Etage, in denen Fernsehen geschaut, geredet und auch gegessen wird. „Wir sind so eine Art Großfamilie mit allen Vor- und Nachteilen. Auch hier gibt es mal kleine Konflikte, aber insgesamt passen alle gut zusammen.

Marianne ist zum Beispiel sowas wie eine Mama für viele andere Bewohner“, berichtet Edith Schüler. Marianne Winkler ist  ein Urgestein der Wohnstätte Murrhardt und wurde durch eine plötzliche Erkrankung aus dem „normalen“ Leben herausgerissen. Seitdem hat sie Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. Sie selbst nimmt das meist mit Humor: „Ich ziehe hier jeden Tag neu ein, weil ich vergessen habe, dass ich hier schon wohne.“ Marianne Winkler kümmert sich oft um die schwächeren Bewohner. Früher hat sie im Krankenhaus-Kiosk in Backnang gearbeitet, jetzt hat sie in die Hauswirtschaftsgruppe der „Backnanger Werkstätten“ gewechselt. „Ich spiele gerne Schach, aber mit mir will keiner spielen, weil ich immer gewinne. Und ich vergesse leider während des Spiels, dass ich auch die anderen mal gewinnen lasse“, das macht Marianne Winkler dann doch etwas traurig.

Neben den zwei Wohngruppen im Erd- und Obergeschoss gibt es auch einen Seniorentreff in der Wohnstätte Murrhardt. Hier treffen sich die Bewohner, die in Rente sind und tagsüber nicht mehr zur Arbeit gehen. Dieses Angebot findet nicht nur im Haus statt, auch hier wird so oft wie möglich die Stadt aufgesucht. Die älteren Herrschaften gehen z.B. gerne ins Begegnungscafé der Kirche vor Ort. Und es gibt auch einen heimlichen Star im Seniorentreff: „Eine Mitarbeiterin bringt einmal pro Woche ihren Hund mit. Der bringt nochmal zusätzliches Leben in die Wohnstätte. Das tut unseren älteren Bewohner sehr gut!“ ist sich Monika Jäger sicher.

Zum 15-jährigen Jubiläum wurde vor kurzem mit vielen Angehörigen der Bewohnerinnen und Bewohner der Wohnstätte Murrhardt gegrillt, das waren insgesamt knapp 100 Menschen. „Wir haben wirklich allen Grund zu feiern, denn hier fühlen sich alle wohl“ erzählt Edith Schüler.

Trotzdem haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Anliegen: Es gibt immer wieder zeitaufwendige Einzelwünsche von Bewohnern, die nicht erfüllt werden können, zum Beispiel ein Ausflug zum Schäferlauf nach Markgröningen oder zum Oktoberfest nach München. Für solche Einzelaktionen wünschen sich die Mitarbeiter Ehrenamts-Leute. Wer sich und einem anderen etwas Gutes tun will, darf sich gerne und jederzeit in der Paulinenpflege melden. Am besten per eMail: ehrenamt@paulinenpflege.de

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Die Murrhardter Großfamilie freut sich