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„Mir gefällt‘s hier ganz hervorragend“

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Ehemalige Burg-Reichenberg-Bewohnerinnen und –Bewohner haben sich sehr gut im Haus Plattenwald Backnang eingelebt.

Lebendig und bunt geht es im total umgebauten Haus Plattenwald der Paulinenpflege am Backnanger Stadtrand zu. Seit Oktober 2021 leben hier 20 psychisch erkrankte Menschen, die zuvor auf „ihrer Burg“ Reichenberg daheim waren. Damals sind nicht alle voller Freude umgezogen: „Wir hatten schon Bedenken, wie das im Haus Plattenwald wird, da die meisten unserer Klienten auf der Burg Reichenberg schon viele Jahre gelebt haben. Auch wir Mitarbeiterinnen haben die Burg mit einer Portion Wehmut verlassen, denn so einen ganz besonderen Arbeitsplatz gibt es nur für wenige Menschen“, erzählt Sozialpädagogin Julia Braun, die hier mit ihren Kolleginnen und Kollegen fast rund um die Uhr für die Klienten da ist.

Die Skepsis und das Heimweh nach der Burg haben sich aber ganz schnell gelegt: „Das Wohnkonzept hier im Haus Plattenwald ist schon toll, dadurch gibt’s ganz andere Möglichkeiten für unsere Bewohnerinnen und Bewohner“, sagt Julia Braun. Anders als auf der Burg Reichenberg besteht das Haus Plattenwald nicht aus vielen Einzelzimmern und großen Gemeinschaftsträumen, sondern aus kleinen Wohneinheiten. So gibt es vier Zweier-Wohnungen, vier Dreier-Wohnungen und vier Einzelzimmer mit Küche. Klient Thomas Bühler freut sich über seine neue Wohnung: „Ich bin sehr froh über meine zwei Mitbewohner in der Wohnung. Wir passen gut zusammen. Mir gefällt’s hier ganz hervorragend.“ Auch Florian Gassmann ist begeistert: „Das Haus vermittelt Selbständigkeit. Hier ist eine gute Atmosphäre. Ich bin jetzt auch schneller in der Stadt als vorher.“

Damit das Ankommen im Haus Plattenwald gut funktioniert, hat Teamleiterin Martina Kühme den Umzug gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Klienten ausführlich vorbereitet: „Wir haben schon genau hingeschaut und besprochen, wer hier innerhalb einer Wohnung gut zusammenpasst. Es ist super, dass die Planungen in der Praxis jetzt so gut aufgehen.“ Manches war auch eine Herausforderung und es gab viele Details zu bedenken: „Uns war klar, dass wir statt einer Großküche plötzlich 13 Einzelküchen in den verschiedenen Wohnungen managen müssen. Um ein Chaos zu verhindern, gibt es z.B. Küchen-Checkup-Pläne, die wir gemeinsam mit den Klienten durchgehen.“ Und so lernen Klienten gerade, dass mehr Selbständigkeit natürlich auch mehr Verantwortung bedeutet. „Da geht es auch um kleine Dinge wie z.B. die Kehrwoche. Wenn am Wochenende keine Reinigungsfrau für die Treppen und Flure kommt, muss festgelegt werden, wer das von den Klienten übernimmt. Das ist ein Lernprozess, der aber gut funktioniert,“ erklärt Mitarbeiterin Julia Braun.

Ansonsten wird bei jedem Bewohner und jeder Bewohnerin ganz individuell geschaut, was gerade ansteht. Christoph Stark kauft nun als ersten Schritt seine Lebensmittel selbst ein: „Manchmal koche ich auch selbst, meistens aber Fastfood. So langsam möchte ich auch lernen, etwas Gesünderes aus einem Kochbuch zuzubereiten“. Andere Bewohner nehmen das Mittag- oder Abendessen innerhalb der Gemeinschaftsverpflegung im Gemeinschaftsraum ein: „Die Klienten können entscheiden, ob sie lieber das Essensgeld ausbezahlt bekommen und ihrer Wohnung selbständig ihr Essen zubereiten wollen. Manche sind aber noch überfordert und daher lieber in der Gemeinschaftsverpflegung“, erklärt Martina Kühme.

Im Gemeinschaftsraum findet auch tagsüber die Tagesgruppe statt. Hier treffen sich die Klientinnen und Klienten, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung derzeit nicht zurechtkommen. Özcan Güner berichtet: „Wir bekleben hier zum Beispiel Eierschachteln für den Paulinenhof oder waschen Handtücher und bügeln sie. Außerdem machen wir Spaziergänge und kleine Ausflüge.“ In der Tagesgruppe soll eine regelmäßige Teilnahme und eine gewisse Belastbarkeit eingeübt werden, auch mit dem Ziel irgendwann wieder am Arbeitsleben teilnehmen zu können. Die Klienten sind stolz auf diese Gruppe, haben auch hier ein ganz neues „Wir-Gefühl“ entwickelt.

Es hat sich also durch den Umzug vieles gewandelt. „Neu ist auch die aufsuchende Hilfe von uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das heißt: Wir gehen in die Wohnungen rein und fragen, wo es Unterstützungsbedarf gibt. Durch das engere Zusammenleben in den verschiedenen Wohneinheiten gibt es natürlich auch neue Themen, die gemeinsam besprochen werden müssen“ berichtet Martina Kühme.

Sie schätzt die ganz besondere Atmosphäre des neuen Hauses: „Wenn ich abends im Spätdienst überall durchgehe, dann strahlt hier vieles Normalität aus. Eine Bewohnerin sitzt auf ihrem Sofa und strickt. Ein anderer Klient hat seine Nachbarn zum Abendessen eingeladen. Oder jemand fragt: Magst Du mich besuchen?“

Das bedeutet aber nicht, dass sich jetzt alle in ihrer eigenen Wohnung vergraben. Julia Braun freut sich: „Sie kommen trotzdem alle regelmäßig zu uns ins Büro und fragen nach. Der Wunsch nach Gemeinschaft auch außerhalb der eigenen Wohneinheit ist weiterhin da. Das merken wir auch daran, dass sich nach wie vor viele im Gemeinschaftsraum treffen, um mal länger oder kürzer Kontakte zu knüpfen. Wichtig ist für alle, die Sicherheit zu haben, dass es jederzeit eine Ansprechperson für sie gibt.“  Oder wie es Bewohner Thomas Bühler ausdrückt: „Ich bin schon sehr froh, dass ich die Mitarbeiter immer was fragen kann.“

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